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Klaus Bergmayr, Querkopf

 

Bedingungslos?!

Die Grundeinkommensbewegung hat Zulauf - Auch an Bremsklötzen

 

Das Konzept eines Existenzgeldes bzw. be- dingungslosen Grundeinkommens für alle findet immer mehr Anhänger. Inzwischen hat sich ein 'Netzwerk Grundeinkommen' gegründet. In Wien fand im Oktober ein Kongress zur Thematik statt. Die Debatte ist ins Rollen gekommen. Es gibt jedoch jede Menge Bremsklötze. Das radikale Umdenken weg von der auf Erwerbsarbeit zentrierten Gesellschaft fällt schwer, obwohl deren Auflösungserscheinungen kaum noch zu übersehen sind. Mancher Forderungskatalog verwässert das Konzept und betreibt Etikettenschwindel.

 

 

Gern wird die Forderung nach einem be- dingungslosen Grundeinkommen immer noch ins Reich des Utopischen verwiesen. Die Gegner dürfen folgende von den Medien totgeschwiegene Tatsache zur Kenntnis nehmen: Brasiliens Regierung hat bereits Ende 2003 für 2005 bis 2008/10 die stufenweise Einführung einer Grundsicherung für alle ohne Arbeitszwang und Bedürftigkeitsprüfung beschlossen. Wenn auch auf niedrigstem Niveau. Zunächst ist eine Ausdehnung der Familienunterstützung geplant. Nicht sicher ist, ob die Umsetzung gelingt. Es gibt sehr viel Widerstand. Bezeichnenderweise nicht nur aus den konservativen und liberalen Lagern. Auch Sozialdemokraten und Gewerkschaften wenden sich dagegen. Dasselbe Lied hüben wie drüben. Der Mehrheit der Linken fällt es nach wie vor schwer, sich mit dem Ende der Erwerbsgesellschaft abzufinden. Zaghaft wagt man ein paar Schritte Richtung Grundsicherung für alle, scheut aber die klare Trennung zwischen Lohnbeschäftigung und existenzieller Absicherung.

 

 

In Deutschland debattiert inzwischen ein runder Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganistionen über das Thema. Was hier rund sein soll, weist auffällig viele Ecken auf. Angefangen mit begrifflichen Haarspaltereien. Wie nennt man das Kind? Grundsicherung, Bürgergeld oder Grund- einkommen? Man hat sich für Letzteres entschieden. Radikale Befürworter sehen darin die Wiederauflage der alten Existenzgeldforderung aus den 80er Jahren. Die festgesetzten Kriterien sind: Bedingungslose Gewährung an alle Bürger, existenz- sichernde Höhe, kein Arbeitszwang, keine Bedürftigkeitsprüfung, keine Anrechnung von Vermögen und anderen Einkommen, auszuzahlen als Sozialdividende an alle.

 

 

Dieses Konzept ist deutlich abzugrenzen von anderen Grundsicherungsmodellen, die mehr oder weniger erwerbsarbeitszentriert sind. Dies betrifft zuvorderst das seit Jahresbeginn real existierende Arbeitslosengeld II, das von der Regierung beschönigend als 'Grundsicherung für Arbeitssuchende' tituliert wird. Bereits seit 1.Januar 2003 existiert eine 'bedarfsorientierte Grundsicherung'. Sie wird auf Antrag erwerbsunfähigen und älteren Personen gewährt, deren Rente unter Sozialhilfeniveau liegt. Sie stellt Betroffene nur geringfügig besser als die bisherige Sozialhilfe. Weitere Konzepte wie das der Linkspartei orientieren sich ebenfalls am 'Bedarf'. In ihren Genuss sollen nur Personen gelangen, die erwerbslos sind oder deren Einkommen, auch aus Erwerbstätigkeit, nicht zur Existenzsicherung reicht. Die Grundsicherung greift erst im faktisch eingetretenen Fall der Mittellosigkeit. Armut wird erst nachträglich bekämpft. Ebenso bei Mindesteinkommensmodellen, die u.a. eine Aufstockung von Löhnen unterhalb des Existenzminimums vorsehen.

 

 

Ein wirklich bedingungsloses Grundeinkommen würde Armut erst gar nicht entstehen lassen, weil von Beginn an gezahlt. Ein Argument, das bisher wenig Berücksichtigung findet. Der technische Fortschritt, der immer mehr menschliche Arbeitskraft überflüssig macht, ist und bleibt das Hauptargument. Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens reden gern an dieser Tatsache vorbei. Sie führen Auslandsverlagerungen, börsenorientierte unternehmerische Willkür zur Kostensenkung und Profitmaximierung, 'Managementfehler' und den 'ruinösen' Verdrängungswettbewerb als Gründe für den permanenten Stellenabbau an. Als könnten mehr 'Fairness' im Wettbewerb und größere 'soziale Verantwortung' seitens der Unternehmer diesen Prozess stoppen oder gar umkehren. Dass ein immer größerer Teil der Belegschaften auf Grund von Technisierung schlichtweg verzichtbar wird, will man nur begrenzt wahrhaben. Man glaubt dies mittels radikaler Arbeitszeitverkürzung (30 Std. Woche) ausgleichen und wieder zur Vollbeschäftigung gelangen zu können. Ein frommer Wunsch.

 

 

Anmaßend und beinahe arrogant wirkt der Einwand, die Mehrheit der (Noch-) Beschäftigten könnte einem Grundeinkommen nichts Positives abgewinnen. Sie hätte das 'Gespür', es würde nicht funktionieren und 'keine solidarische Lösung' für ihre Probleme darstellen. Ein Vertreter gewerkschaftlich organisierter Arbeitslosengruppen äußerte sich in diese Richtung. Zunächst einmal fällt auf, dass er von Beschäftigten spricht, nicht aber von dem Personenkreis, den er angeblich primär vertritt: Arbeitslose. Dann: Von welchen Beschäftigten ist hier die Rede? 1-Euro-Jobbern, die als Beschäftigte gezählt werden? 400 Euro-Mini-Jobbern? Auf dem ersten Arbeitsmarkt Tätigen, die sich im Niedriglohnsektor zu Bruttolöhnen zwischen 4 und 8 Euro verdingen? Beschäftigte, deren Arbeit sie krank macht, ohne dass sie eine Aussicht hätten, jemals als berufsunfähig anerkannt zu werden?

 

 

Laut Umfrage ist die überwiegende Mehrheit der (Noch-) Beschäftigten unzufrieden mit ihrer Situation. Diese würde durch ein bedingungsloses Grundeinkommen spürbar erleichtert. Zwang und Druck würden entfallen, Bedürftigkeit erst gar nicht entstehen. Die Menschen würden mit positiver Motivation zu Werke gehen und nicht auf Grund eines gedrückten 'Müssens'. Und sie bräuchten sich nicht mit Niedriglöhnen abzufinden.

 

 

Ein Teil der Beschäftigten mag mit einem Grund- einkommen tatsächlich nichts anzufangen wissen. Sie sind zumeist dort anzutreffen, wo Löhne und Arbeitsbedingungen in Ordnung sind. Primär handelt es sich um Beamte und Gutverdiener, darunter auch Facharbeiter und Selbstständige. Dazu kommen diejenigen, die in der Sozialbürokratie mit Verwaltungs- und Koordinationsaufgaben betraut sind. Insgesamt handelt es sich um eine Minderheit, die sich mit einem Grundeinkommen nicht schlechter stünde. Sie sollte es aus Gründen der 'Solidarität' mit schwächer Gestellten, die sie so gern im Munde führt, uneingeschränkt befürworten. Sie tut es nicht. Der eigene Standesdünkel hält sie davon ab. Man will etwas Besseres sein, etwas darstellen, etwas zählen. Und dafür braucht man Verlierer, Bedürftige, Abhängige, über die man sich erheben kann. Selbst für den Fall, dass man vorgibt ihre Interessen zu vertreten. Diese Einstellung ist in linken, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Kreisen so gut anzutreffen wie bei deren vermeintlicher Gegenseite aus den konservativen und liberalen Milieus. Derlei Dünkelhaftigkeit würde mit einem bedingungslosen Grundein- kommen der Boden entzogen. Deshalb wehren sich ihre Träger so vehement dagegen und ziehen alles Mögliche an den Haaren herbei, um einer erstarkenden Grundeinkommensbewegung Steine in den Weg zu legen.

 

 

Zwei gegensätzliche Modelle

 

Wie vorhin bereits angedeutet läßt sich die Vielzahl der Grundsicherungsmodelle auf zwei Haupttypen reduzieren: Denjenigen , der bedingungslos, von Erwerbsarbeit vollständig gelöst, in existenzsichernder Höhe, allen, gleich wie gut gestellt, von Anfang, also Geburt an, zusteht. Und den großen Rest der Konzepte, die direkt oder indirekt Grundsicherung an Erwerbsarbeit koppeln und nur im Fall faktisch eingetretener Bedürftigkeit zuerkennen. Also nur dann, wenn Erwerbs- oder sonstige Einkommen nicht zum Leben reichen. Diese sind im Prinzip nichts weiteres als oberflächliche Korrekturen am bestehenden System. Ihre Befürworter liebäugeln immer noch mit dem Zustand der Vollbeschäftigung. Sie wollen zurück in die Vergangenheit, wenn auch zu leicht verbesserten Konditionen. Aus diesem Grund verbinden sie ihre Modellvorschläge mit der Forderung nach Mindestlöhnen und Arbeitszeitverkürzung. Die Existenzsicherung durch Lohnarbeit bleibt Favorit, Unterstützung soll es nur in Notlagen geben.

 

 

Zwischen diesen beiden Typen ist kein Kompromiss möglich. Es heißt Entweder-Oder. Der Gang der Dinge, die technisch-ökonomische Entwicklung, favorisiert nur eine Variante: Die erstgenannte eines bedingungslosen Grundeinkommens, das auch den Namen verdient hat. Leider scheint diese Erkenntnis nicht so recht bis zum Runden Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen durchgedrungen zu sein. Zumindestens, was die verabschiedete gemeinsame Erklärung vom Januar 2004 betrifft. Was dort als 'garantiertes, ausreichendes und bedingungsloses Grundeinkommen' vorgestellt wird, ist kaum mehr als ein schlechter Witz. Die 'vorbehaltlose Sicherung unserer Existenz in und ohne Erwerbsarbeit' wird angepeilt. 'In und ohne' mag alles bedeuten, nur nicht unabhängig davon. Etwas später kommt die Katze aus dem Sack: Man will 'zunächst' die bestehenden sozialen Sicherungssysteme reformieren und zwar in 'Gestalt eines garantierten Sockels der Arbeits- losen-, Kranken- u. Rentenversicherung', der auch die bestehende Sozialhilfe ersetzt. Auf dieser 'Grundlage' soll ein Grundeinkommen ein 'allen garantierter Anspruch sein. . .', so weit, so gut, doch aufgepaßt, es folgt der relativierende Zusatz,. . .'allen, die nicht aus laufenden Einkommen aus Arbeit, Versicherung oder Vermögen ihre Existenz und ihre gesellschaftliche Teilhabe ausreichend absichern können'. Also 'Menschen in Existenznöten'. Natürlich ohne 'diskriminierende Bedürftigkeitsprüfung'. Geprüft werden soll schon, schließlich will man feststellen, ab wann sich jemand in Existenznot befindet. Nur so, dass es Bedürftigen nicht mehr weh tut. Man möchte sie waschen, ohne ihnen den Pelz nass zu machen. Zuständige Behörden werden demnächst zu Kuschelhorten umfunktioniert, wo Sachbearbeiter ihre Schäfchen bei Kaffee und Kuchen zum Stelldichein begrüßen. Oder wie stellt man sich die Praxis vor Ort vor?