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Nino David Jordan                                                                                     18.1.2006

(Student der Politikwissenschaften an der Uni Bremen)

mail@ninodavidjordan.de

 

Schlaraffenland oder Hungersnot? Wider die gefällige Kontrastierung.

Eine Antwort auf Ulrich Busch's Kritik am BGE[1].

 

 

Busch nimmt den Mythos vom Schlaraffenland als provokanten Aufhänger für seine Abhandlung der Defizite des Grundeinkommens. Die Heranziehung dieses Mythos dient ihm dazu, die Forderungen der Grundeinkommensbefürworter ins Licht des visionären aber irrealen, letzlich absurden, zu rücken und als “sozialromantische Utopie” zu klassifizieren. Vornehmlich extreme Umverteilungsbeispiele heranziehend, unterstellt er dem Grundeinkommen per se wirtschaftliche Dysfunktionalität. Busch zeichnt die Kontraste zu scharf. Nicht ohne Grund zieht er einen mittelalterlichen Mythos heran: Stammt dieser Mythos doch aus einer Zeit des existentiell bedrohlichen Mangels, einer Zeit, in der kaum auf eine arbeitsfähige Hand verzichtet werden konnte. Diesem stellt er ein Szenario einer gewaltigen Umverteilung gegenüber, einer Umverteilung welche angeblich die absolute Entkoppelung von Arbeit und Einkommen bedeuten würde.

Eine solche, unter den gegeben Umständen, wirtschaftlich dysfunktionale Umverteilung ist aber gar nicht nötig um den “Maulwurf”, der einst vielleicht die Grundprinzipien des Kapitalismus unterhöhlen mag, in Gang zu setzen.

Mit einiger Übertreibung schreibt Busch, dass ein Grundeinkommen “jeglichen Zusammenhang zwischen Arbeit und Verbrauch” untergraben würde. Dies aber ist nicht die Leistung um dessen Willen das Grundeinkommen ein “Maulwurf” genannt werden kann. Wenn von der Einführung eines Grundeinkommens geredet wird, so heißt dies zwar, dass ein/e jede/r einen gleichen Betrag erhält, der das soziokulturelle, für die gesellschaftliche Teilhabe notwendige, Minimum deckt. Mehr aber zunächst nicht.

Busch führt an, “daß gegenwärtig 27,6 % aller Erwerbstätigen in Deutschland [...] ein Erwerbseinkommen beziehen, das unterhalb der Niedrigeinkommensschwelle liegt. Für sie wäre die Zahlung eines höheren oder gleich hohen Grundeinkommens Grund genug, sich vom Arbeitsmarkt zu verabschieden.” Ob dieser aberwitzigen Unterstellung möge man einen Moment innehalten... Ist das Einkommen dieser Menschen so niedrig, weil sie bereits gesättigt sind und gar nicht mehr verdienen wollen? Bilden diese 27,6% gar eine neue asketische Schicht, welche die Jagd nach Luxusgütern aus innerer Überzeugung eingestellt hat? Wenn ja, dann muss Busch sicherlich Recht gegeben werden.

Busch schreibt,  dass “eine noch so produktive und reiche Gesellschaft auf Dauer nicht mehr verbrauchen [kann] als sie produziert”, und wirft dem Grundeinkommen damit mangelnde Nachhaltigkeit vor.  Sicherlich muss die Höhe des Grundeinkommens zunächst so beschaffen sein, dass genug Anreize zur Reproduktion des gesellschaftlichen Reichtums verbleiben. Die Bedeutung dieser Anreize darf im Rahmen einer kapitalistischen Weltwirtschaft sicherlich nicht ausgeblendet werden. Eben gerade deshalb formuliert Phillippe Van Parijs, einer der prominentesten Vordenker des Grundeinkommens, die Forderung nach einem Grundeinkommen auf dem höchsten noch nachhaltigen Niveau.

Ein Grundeinkommen kann sicherlich nur dann realistisch gefordert werden, wenn man auf einer Grundlegenden Prämisse aufbaut: Die meisten Menschen wollen, sofern sie nicht die Not dazu treibt, entweder arbeiten um sich selbst zu verwirklichen, oder um sich mehr Luxusgüter zu verschaffen. Die Unterstellung, keiner würde mehr arbeiten wollen, wenn die »Disziplin des Hungers« wegfalle, ist absurd. Sicher mag es sich mit einigen so verhalten. Anderen aber würde ein Grundeinkommen den Ausweg aus der Armutsfalle ermöglichen. Unter den jetzigen Umständen ist es oft irrational arbeiten zu gehen, etwa dann, wenn einem ein Großteil des Verdienstes auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird. Auch Existenzgründungen erweisen sich als schwierig, wenn nicht auf ein laufendes Einkommen zurückgegriffen werden kann.

Busch meint, das die Verwirklichung des Prinzips “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen”...die Entwicklung der Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis” zur Vorraussetzung habe. Aber eben die Erfahrung dieses Bedürfnisses nach tätiger Auseinandersetzung mit der Umwelt kann schwerlich vor dem Hintergrund eines Zwangsverhältnisses geschehen. Wahrscheinlicher ist es, dass unter den gegeben Umständen dieses Bedürfnis im Rahmen einer individuellen Bewältigungsstrategie vorgeschoben wird: Wenn ich schon muss, dann will ich wenigstens wollen.

Die weiterhin von ihm als Bedingung postulierte “Begrenzung des Konsums auf ein vernünftiges Maß” lässt sich kaum vermeiden, wenn man die Höhe des Grundeinkommens an die Rahmenbedingungen unseres Wirtschaftssystems anpassen muss. Dass das Grundeinkommen äquivalent zur Forderung nach einer “von der Arbeit befreiten Konsumgesellschaft” sei, ist unhaltbar, da selbst ein Grundeinkommen von 1500 Euro immer noch vielen den Anreiz zur Arbeit belassen würde. Und das unter anderem gerade auch, um mehr zu konsumieren. Busch macht den Fehler so zu tun, als ob das Grundeinkommen gleichzusetzen wäre mit einer Gesellschaft, in der allein auf den Arbeitswillen der Menschen vertraut würde, alle aber ansonsten gleich viel konsumieren dürften.

Er schreibt, dass ein universell angewendetes Grundeinkommen “ökonomisch nicht tragfähig und finanziell nicht realisierbar” wäre. Natürlich wäre es unmöglich, alle zu Grundeinkommensbeziehern zu machen, wenn in der Folge niemand mehr arbeiten würde. Das dem so wäre ist allerdings ausgesprochen unwahrscheinlich, zudem sich die Höhe des BGE an der volkswirtschaftlichen Produktivität orientieren müßte. Ein Großteil von Busch Argumentation ruht auf der Vorstellung, niemand würde arbeiten, aber alle würden schlemmen. Ihren Ausrduck findet dies in von weit her geholten Beispielen, wie etwa der konsequenten Umverteilung aller Einkommensteile oberhalb des Durchschnittseinkommens über Steuern und Beiträge zugunsten der Nichtarbeitenden. Diese Vorstellung hat aber nichts mit dem mittelfristig zu verwirklichenden BGE zu tun, vielmehr wird sie als gefälliger rethorischer Sparringpartner herangezogen.

Laut Busch passe das BGE nur zu einer Gesellschaft im Überfluss. Hiervon könne bei Deutschland aber nicht ausgegangen werden. Die momentan vorgenommen Umverteilungsleistung ist aber bereits gigantisch: 1997 lag der Anteil der Erwerbstätigen in der Bevölkerung bei 43,6 %[2].

Um die angeblich klaffende Finanzierungslücke für ein BGE auszumalen, beziffert Busch die bei einer monatlichen BGE-Höhe von 1000 € pro Kopf entstehenden Kosten mit 95,4 % des Gesamtbudget der öffentlichen Haushalte. Zur Finanzierung Steuererhöhungen heranzuziehen lehnt er als für die  Zukunftsentwicklung kontraproduktiv ab. Hierbei blendet er völlig aus, dass jede/r Grundeinkommen beziehen würde, der Staat ihr oder ihm also auch dementsprechend wieder mehr abziehen könnte. Letztlich würden die Ausgaben nicht viel höher sein, als bei einer negativen Einkommenssteuer ohne Arbeitszwang.[3] Weiterhin hält er es für unverantwortlich ein BGE einzuführen, wenn nicht vorher die zu erwartenden ökonomischen Effekte, z.B. die damit zunächst einherschreitende Inflation,  hinreichend analysiert würden. Dieser Gedanke mag sicherlich sehr vernünftig sein. Obwohl das Grundeinkommen ein sehr einfaches und eben gerade dadurch so elegantes Konzept ist, muss die Genauigkeit der Folgenabschätzung aber zwangsläufig durch die Komplexität der Sache beschränkt sein. Hier spielen einfach zu viele Faktoren mit rein, als dass die Wirtschaftswissenschaft, deren Prognosen ohnehin allzu oft nicht Bestätigung finden, diese vorab vollends ergründen könnte.

Busch's Alternative zum Grundeinkommen – die Aufwertung des Dritten Sektors – , muss, eben aufgrund der von ihm selbst geschilderten “Verwertungslogik des Kapitals, welche die gesellschaftliche Reproduktion auf bestimmte Tätigkeiten reduziert, andere jedoch, obwohl nicht weniger nützlich, aber ausschließt” wenn nicht als utopisch, so doch als bedeutend komplizierter und administrativ aufwändiger in der Umsetzung angesehen werden. Um Anleihen beim Neoliberalismus zu machen: Wäre es nicht vielleicht effizienter, die hierfür notwendige Bürokratie beiseite zu lassen und Raum für private Initiative zu schaffen?

Eine weitere von Busch aufgezeigte Alternative wäre die “Höhe des Einkommens weniger von der individuellen und mehr von der gesamtgesellschaftlichen Leistung abhängig” zu machen. Hier stellt sich wieder die Frage, ob eine solche staatliche Regulierungsmaßnahme nicht ebenfalls sehr viel komplizierter zu handhaben wäre, als schlicht ein Grundeinkommen auszuzahlen.

Weiterhin kritisiert Busch die Idee des Grundeinkommens aufgund der Tatsache, dass diesem keine gesellschaftliche Aktzeptanz entgegen komme. Dies mag sicherlich ein valides strategisches Argument sein, wenn es darum geht, verschieden Handlungsalternativen zu erwägen. Auf die Idee des Grundeinkommens selbst kann dies kein Angriff sein. Aber selbstverständlich tragen Beiträge wie der von Busch, auch wenn sie die Debatte befruchten, nicht gerade dazu bei, die dem Grundeinkommen entgegengebrachte Akzeptanz zu erhöhen.

Warum das Grundeinkommen aber wirklich als die kapitalistische Gesellschaftsordnung untergrabender “Maulwurf” bezeichnet werden kann, bleibt außerhalb der Reichweite von Buschs Aufsatz. Es ist insofern ein “Maulwurf” als dass das BGE den Menschen die notwendige Basis geben könnte, um, fernab privater oder staatlicher Zwangsverhältnisse, ökonomische Akteure nach eigener Façon zu werden. Die Errichtung selbstbestimmer, demokratischer Wirtschaftweisen von unten, die ohne ein Grundeinkommen stets ein Wagnis darstellen und oft genug an der Härte der Konkurrenz zerschellen mußten, würde durch ein BGE ermöglicht. Ob die Menschen ein BGE dazu nutzen, das bliebe ihnen selbst überlassen. Sollten sie es tun, so wäre dies der Keim einer friedlichen und gemächlichen Revolution – in den Köpfen wie an den Maschinen.

 



[1]UTOPIE kreativ, H. 181 (November 2005), S. 978-991 / http://www.linksnet.de/textsicht.php?id=2024#76

[2]http://www.destatis.de/​presse/​deutsch/​pm1998/​p1490026.htm

[3]Wobei die Höhe selbstverständlich immer noch nicht abschätzbar ist, jedoch de facto bedeutend niedriger als von Busch veranschlagt.