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Garantiertes Grundeinkommen – eine Utopie?

 

Helmut Creutz (im Okt. 2005)

 

 

Im politischen Umfeld und den Medien taucht immer mal wieder der Gedanke auf, das Leben aller Bürger durch ein Grundeinkommen abzusichern. Im Gegensatz zu Vorstellungen des Frühkommunismus, nach denen jeder ein Einkommen nach seinen Bedürfnissen erhalten sollte, wird dieses Grundeinkommen allerdings in einer festen und für alle gleichen Höhe angedacht. Die Frage jedoch, woher das Geld für diese Grundsicherung kommen soll, bleibt fast immer ausgeklammert oder geht in oft langen und manchmal sogar philosophischen Ausarbeitungen unter.

 

Wer füllt das Füllhorn?

 

Alles was man in einer Gesellschaft verteilen kann, ob in Form von Geld oder Gütern, stammt letztlich immer aus der Arbeit von Menschen. Das gilt auch für das gesamte Sozialbudget, das in Deutschland 2004 bei 685 Mrd Euro lag, woraus sich ein Pro-Kopf-Betrag von 8.353 Euro im Jahr und 696 im Monat errechnen lässt. Allerdings stecken darin vor allem die Leistungen der Renten- und Krankenversicherungen, deren Auszahlungen weitgehend an die Beitragszahler gebunden sind. Die aus Steuern und öffentlichen Abgaben stammenden Mittel, die der Staat selbst für soziale Zwecke aufwendet, würden monatlich vielleicht einen Betrag von etwa 250 Euro pro Kopf ergeben, was für ein Grundeinkommen kaum ausreichen kann. - Auf welche Weise könnte dieser Grundstock nun erhöht werden?

 

Mittel, die nicht aus einer zusätzlichen Belastung der arbeitenden Menschen stammen, sind allein solche, die uns die Natur schenkt bzw. zur Nutzung überlässt. Neben Licht, Luft und Wasser ist das wichtigste und wertvollste dieser Geschenke zweifellos der Boden, vor allem, wenn wir die Schätze unter seiner Oberfläche mit einbeziehen. Ohne den Boden könnten wir nichts bauen oder anbauen, nichts ernten oder gewinnen, das heißt, er ist die Grundlage fast allen Wirtschaftens, und da er durch die Menschen nicht vermehrbar ist, das bedeutendste Monopolgut.

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Davon ausgehend hat es schon vor mehr als hundert Jahren Reformbewegungen gegeben, die das gleiche Anrecht aller Menschen am Boden reklamierten und die bestehenden privaten Eigentumsrechte in Frage stellten. Die daraus resultierenden Monopolerträge, sowohl die so genannte Bodenrente als auch die mit der Zahl der Menschen zunehmenden knappheitsbedingten Wertsteigerungen, sollten darum allen Bewohnern dieser Erde zugute kommen. Allerdings zielten diese Reformansätze damals weniger auf ein personenbezogenes Einkommen ab, als auf eine Stärkung der Staatseinnahmen.

 

Führend in dieser Bodenreformbewegung war der US-Bürger Henry George, der als Seemann und Goldgräber weltweit Erfahrungen sammelte und dem es im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts als Journalisten gelang, ein internationales Echo auszulösen. Das vor allem mit seinem Buch „Fortschritt und Armut - eine Untersuchung über die Ursache der industriellen Krise und der Zunahme der Armut bei zunehmendem Reichtum“. Im Jahr 1886 kandidierte er sogar recht aussichtsreich für den Bürgermeisterposten in New York.

 

Henry George`s Plan war es, mit einer Steuer die Bodenrenten abzuschöpfen, also jene Einkommen, die an die privaten Eigentümer des Bodens fließen und bei Verpachtungen als leistungslose Erträge besonders deutlich hervor treten. Man denke nur daran, dass auf der Südhalbkugel Bauern oft die halbe Ernte für die Bodenpacht aufbringen müssen! Aber auch bei uns schlagen diese Bodenrenten in erheblichen Größenordnungen zu Buche: Da die Kosten der Baugrundstücke inzwischen fast bei  einem Drittel der gesamten Immobilienpreise liegen, verteuern die leistungslosen Bodeneinkünfte allein die Mieten um 20 bis 25 Prozent!

 

Nach den Vorstellungen und Berechnungen der Bodenreformer sollten diese leistungslosen Privaterträge aus dem Boden als „single tax“ für die Finanzierung des gesamten Staatswesens ausreichend sein, was zur damaligen Zeit noch realistisch gewesen sein mag. Auch in Deutschland kam es damals zu entsprechenden Aktivitäten, aus denen 1888, gegründet durch den Direktor der Gaggenauer Eisenwerke Michael Flürscheim, der „Deutsche Bund für Bodenbesitzreform“ hervorging.

 

Der Boden und das Grundeinkommen

 

Eine Abschöpfung der Bodenrente, verbunden mit einer Auszahlung direkt an die Bürger, wurde damals noch nicht diskutiert. Diese Idee kam zum ersten Mal Anfang des 20. Jahrhunderts durch den deutsch-argentinischen Sozial- und Geldreformer Silvio Gesell ins Gespräch. Sein Gedanke war es, die Einnahmen aus der Bodenrente speziell den Müttern zukommen zu lassen, um deren finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit vom Manne zu stärken.

 

Im Prinzip kann man dieses „Müttergeld“ aber auch schon als eine Art Grundeinkommen ansehen, da diese Zahlungen indirekt allen Bürgern in ihrer Jugendzeit zugute kommen. Über seine Zeit hinaus denkend forderte Gesell sogar, diese  Unterstützung weltweit allen Müttern (und damit allen Kindern!) zukommen zu lassen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Denn nach seiner Sicht hat jeder in die Welt Geborene im gleichen Ausmaß einen Anspruch an alle Güter der Natur!

 

Um diesen neutralen, ausbeutungsfreien Zustand des Bodens wieder zu erreichen, sollte also der Boden, wie zur Zeit der Allemende und vor Einführung des Römischen Rechts, wieder in ein allen gehörendes Gemeinschaftsgut zurück verwandelt werden. Das sollte jedoch nicht durch eine Enteignung und anschließende Verteilung an alle Bürger geschehen, sondern durch Rückkauf des Bodens durch unabhängige Bodenämter, die ihn für die Bürger verwalten. Diese Ämter wiederum würden dann die Bodenflächen dem jeweils „besten Wirt“ zeitbegrenzt zur Nutzung überlassen. Über die eingezogenen Pachten sollten dann jene Einkommen zugunsten der Allgemeinheit abgeschöpft werden, die heute den privaten Eigentümern zufließen. Das gleiche gilt für die Bodenwert-Zugewinne, die in unseren Tagen zumeist durch öffentlich finanzierte Maßnahmen ausgelöst werden.

 

Für die praktische Umsetzung dieses erforderlichen Rückkaufs hatte Gesell einen im Grunde genialen Plan entwickelt: Bezahlt werden sollte der schrittweise Rückkauf durch Tausch gegen verzinste Staatspapiere, deren Zinsen aus den nun an das Bodenamt fließenden Pachten bezahlt werden konnten. Durch eine ebenfalls von Gesell vorgeschlagene Geldreform sollte dann der Geldzins nach und nach gegen Null sinken. Auf diese Weise würde ein immer größer werdender Überschuss aus der Bodenrentenabschöpfung für die eigentliche Verwendung als Mütter- oder Kindergeld zur Verfügung stehen.

 

...und die Finanzierung über Umweltschutz?

 

Nicht nur der Boden, auch Luft und Wasser und vor allem die Bodenschätze, werden heute durch überhöhte Nutzungen in Mitleidenschaft gezogen und häufig sogar völlig ausgebeutet! Die dringend notwendige Aufgabe unserer Tage ist deshalb nicht nur eine Überführung der uns anvertrauten Naturgüter in Gemeinschaftseigentum, sondern auch ihr Schutz.

 

Dieses Bewusstein von der Notwendigkeit des Umweltschutzes hatte bereits in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ein breites Echo und Verständnis gefunden. Angesichts des Wachstumszwangs, dem alle kapitalistischen Gesellschaften unterliegen, sind diese Ansätze jedoch wieder verdrängt worden. Das vor allem angesichts der zunehmenden sozialen Spannungen und Arbeitsmarktprobleme, denen man unter den heutigen Gegebenheiten nur mit noch mehr Wachstum zu begegnen versucht. Konkret: Umweltschützende Maßnahmen, die wirksam den Raubbau an der Natur verhindern, scheinen wir uns angesichts der damit verbundenen Bremseffekte auf das Wirtschaftswachstum nicht leisten zu können. Außerdem wehren sich auch die Bürger zunehmend gegen Umweltschutzsteuern oder -abgaben, da sie die Folgen der heutigen zinsbedingten Umverteilungen von der Arbeit zum Besitz in den meisten Fällen schon als gravierenden Rückgang ihrer Einkommen spüren.

 

Fritz Andres vom Seminar für freiheitliche Ordnung in Bad Boll hat darum einen Plan entwickelt, der sozusagen das Reformmodell aus früherer Zeit auf eine breitere Plattform stellt. Er fordert nicht nur die Rückverteilung der Bodenrente und Wertzugewinne an alle Bürger, sondern auch die Rückverteilung aller Umweltabgaben. Damit würde nicht nur der breite Widerstand gegen derartige Abgaben abgebaut, sondern auch ein entscheidendes Stück Umweltgerechtigkeit geschaffen. Denn als Folge dieser Rückverteilungen in gleicher Höhe pro Kopf, würde jeder nur noch in dem Umfang belastet, wie er die Umwelt überdurchschnittlich in Anspruch nimmt! Das heißt, jedem umweltbewußt Handelnden und Lebenden kommt ein Überschuss zu, der von jenen, die mit der Umwelt großzügig umgehen, bezahlt wird. Dabei ergeben sich für Familien zusätzliche Vorteile, da die Rückzahlungen auch an alle Kinder in voller Höhe erfolgen.

 

Würden diese Umweltabgaben einmal weltweit erhoben und zurückverteilt, käme es auch zu einem automatischen Ausgleich zwischen den reichen Industrienationen und der übrigen Welt. Damit würden sich nicht nur die sozialen Spannungen zwischen Ländern und Kulturen abbauen, sondern über die Reduzierung der Ungerechtigkeiten auch die politischen, die heute - gerade im Hinblick auf die Ressourcen - immer mehr in Kriegen auszuarten drohen.

 

 

 

 

 

Resümee:

 

Ein Grundeinkommen für alle Bürger könnte also, über die Nutzung der bereits vorhandenen heutigen Etatmittel hinaus, aus drei Quellen aufgestockt werden:

 

1. über die Abschöpfung der Bodenrente und Wertzugewinne

 

2. über die Rückverteilung der Umweltschutzgebühren

 

3. über eine zinssenkende Geldreform

 

In den ersten beiden Fällen handelt es sich also um Rückverteilungen von Zahlungen, die über die täglichen Ausgaben aller Bürger von öffentlichen Stellen eingezogen und auf Grund der gleich hohen Rückzahlungen einen sozialen bzw. umweltbezogenen Ausgleich bewirken. Im dritten Fall würde es im Zuge einer Geldreform zu einem Absinken der Zinssätze und damit der Transfers kommen, die heute in ständig steigenden Größenordnungen von der Arbeit zum Besitz und damit tendenziell von Arm zu Reich fließen.

 

Diese dritte Möglichkeit über eine Geldreform erbringt zwar keine öffentlichen Mittel zur Aufstockung der Grundsicherung, würde aber zu einer erheblichen Absenkung der Lebenshaltungskosten führen, die inzwischen zu 30 bis 40 Prozent durch die Verzinsungen des Kapitals überteuert sind. Da diese Zinsströme heute eine Minderheit von etwa zehn Prozent der Bevölkerung immer reicher werden lassen, wäre mit ihrem Abbau für die Mehrheit eine erhebliche Kaufkraft-Anhebung des Grundeinkommens und finanzielle Verbesserung der Lebenssituation verbunden.

 

So würde z.B. schon eine Halbierung der Zinssätze die Mieten, die heute zu 60 bis 80 Prozent aus Zinsen bestehen, um rund ein Drittel senken. Und statt 70 Milliarden Euro brauchte der Staat dann nur noch 35 Milliarden für die Verzinsung seiner Schulden aufzubringen. Allein diese Zinshalbierung würde ihn bereits in die Lage versetzen, die Löhne für eine Million Arbeitnehmer zu finanzieren! Und bezogen auf die Gesamtwirtschaft würden die Einsparungseffekte sogar das Fünffache betragen!

 

Bereits 1936 hat John Maynard Keynes in seinem Hauptwerk geschrieben, dass eine solche Reform unserer Geldordnung, die die Haltung von Geld mit „Durchhaltekosten“ (carrying-costs) verbindet und den Zins in gesättigten Volkswirtschaften gegen Null sinken lässt, „der vernünftigste Weg (sei), um allmählich die verschiedenen anstößigen Formen des Kapitalismus loszuwerden“. Sie würde - wie Keynes weiter schreibt - „den sanften Tod des Rentiers bedeuten und folglich den sanften Tod der sich steigernden Unterdrückungsmacht des Kapitalisten, den Knappheitswert des Kapitals auszubeuten.“

 

Denkt man an die heutigen globalen Verbundenheiten, so kann man also mit einer weitergehenden Diskussion um das Grundeinkommen nicht nur zu realistisch finanzierbaren Lösungen kommen, sondern sogar zu Veränderungen, die den Frieden in der Welt nachhaltiger sichern, als die meisten oft kurzsichtigen Aktionen. Von den fragwürdigen Bekämpfungsmethoden des Terrorismus nicht zu reden!