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Der folgende Text ist eine überarbeitete Version
eines Aufsatzes,
welcher ursprünglich bei INWO in «Fairconomy» Nr. 2 vom September 2005
erschienen ist.
Die
überarbeitete Version wurde zuerst veröffentlicht in: Zeitschrift für
Sozialökonomie 154. Folge / 2007, S. 27 – 32 / www.sozialoekonomie.info
Alwine Schreiber-Martens
“Immer weniger
Menschen produzieren in immer weniger Zeit immer mehr Güter” schreibt Jeremy
Rifkin in seinem Buch “Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft”[1].
Die traditionelle Erwerbsarbeit scheint in Zukunft immer weniger direkte
Einkommensquelle der Menschen sein. Es gilt daher, über Einkommensquellen und
Einkommensverteilung neu nachzudenken.
Natürlich
entstammen alle Einkommen menschlicher Arbeit bzw. besser gesagt: menschlicher
Tätigkeit. Der Einkommensstrom in realer Gestalt, also der Güterstrom, dabei
Güter im weitesten Sinne, materiell wie immateriell, ist Resultat menschlicher
Tätigkeit – bei weitem nicht nur der Erwerbsarbeit.
Und genauso
selbstverständlich kann menschliche Tätigkeit diesen realen Güterstrom nur
hervorquellen lassen, wenn sie auf die uns umgebenden, uns tragenden Schätze
der Natur zurückgreifen kann. Diese Schätze der Natur sind der Boden mit allem,
was in ihm ist, Wasser, Luft, Licht, die Atmosphäre und in und mit diesen
Gesamtheiten die Biosphäre, die letzten Endes Quelle und Senke (Ort für die
Rückführung) aller von Menschen hervorgebrachten Dinge ist.
Diese
Naturschätze, diese Grundlagen des Lebens und Wirtschaftens aller Menschen,
sind ein Geschenk an die Menschheit als ganzes – niemand hat dafür bezahlt! Und
sie sind durch unser gegenwärtiges Wirtschaften massiv bedroht.
Wie können diese
Lebensgrundlagen geschützt und erhalten werden? Wie kann jeder einzelne Mensch
in gleicher Weise und kostenfrei an diesem Geschenk teilhaben? Wie kann
ausschließlich menschlicher Bedarf anstelle des Renditedrucks die Triebfeder
des Wirtschaftens werden? Ein
“Ressourcen-gestütztes” Einkommen als Bestandteil eines bedingungslosen,
existenzsichernden Grundeinkommens für jeden Menschen zeigt Lösungsansätze für
diese komplexe Aufgabe.
Das Naturgeschenk
“Grund und Boden” ist größtenteils nicht mehr allgemein verfügbar, sondern
Privateigentum. Daher kommen immer weniger Menschen in den Genuss dieses
Geschenks. Da Boden direkt oder indirekt die Grundlage allen Lebens ist, wächst
bei wachsender Bevölkerung auch die Nachfrage nach geeignetem Boden in
günstiger Lage. Wir bezahlen daher für die Nutzung steigende Preise, die nur
den Eigentümern zugute kommen. Boden ist aber nicht durch menschliche Arbeit
vermehrbar. Die Preissteigerung kann also nicht durch Ausweitung des Angebots
gebremst werden. Das Naturgut Boden ist folglich nicht einfach marktfähig,
sondern das bedeutendste Monopolgut.
Aufgrund dieser Erkenntnis hat es immer
wieder Reformbewegungen gegeben, die das gleiche Anrecht aller Menschen am
Boden reklamierten. Der Engländer Thomas Spence (1750 – 1814) und der
US-Amerikaner Henry George (1839-1897) waren führende Köpfe dieser Bewegung im
18. und 19. Jahrhundert. Thomas Spence trat für eine Vergesellschaftung und
Verpachtung des Bodens ein und erwog bereits die Verwendung der Pachteinnahmen
als ein Grundeinkommen für alle.[2]
Demgegenüber wollte Henry George die Bodenrenten, also jene Einkommen, die an
die privaten Eigentümer des Bodens nur kraft Eigentümerstatus fließen, mit
einer Steuer abschöpfen. Als “single tax” hätten die Einnahmen damals für die
Finanzierung des gesamten Staatswesens ausreichen können.[3]
Die Bodenrente als leistungsloses Einkommen
wird bei Verpachtungen besonders deutlich. Die Bauern müssen einen Teil des Ertrags für die Bodenpacht aufbringen. Bei städtischem
Boden haben die Bodenrenten noch mehr Gewicht: Die Kosten der Baugrundstücke
liegen heutzutage fast bei einem Drittel der gesamten Immobilienpreise. Ihr
Anteil allein an den Mieten beträgt um die 20 bis 25 Prozent!
Die im 18.
Jahrhundert von Thomas Spence vertretene Idee einer Auszahlung der
abgeschöpften Bodenrente direkt an die Bürger kam Anfang des 20. Jahrhunderts
wieder durch den Sozial- und Geldreformer Silvio Gesell (1862-1930) ins
Gespräch. Entsprechend den damaligen Denkweisen hinsichtlich der
Geschlechterrollen war es sein Vorschlag, die Einnahmen aus der Bodenrente
speziell den Müttern zukommen zu lassen. Ihre finanzielle Sicherheit und
Unabhängigkeit sollte so eigenständig gestärkt
werden. Über seine Zeit hinaus denkend forderte Gesell sogar, diese Zahlung
weltweit allen Müttern – und damit auch allen Kindern – zukommen zu lassen,
unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Nach seiner Sicht hat jeder in die Welt
Geborene einen gleichen Anspruch auf Nutzung aller Güter der Natur! Im Prinzip
kann man dieses “Müttergeld” schon als eine Art Basis- oder Grundeinkommen
ansehen, da die Zahlungen indirekt allen Bürgern in ihrer Jugendzeit zugute
kommen.
Nach Gesells über den
Feudalismus wie über den Kapitalismus hinausweisenden Vorstellungen sollte der
Boden ähnlich wie zur Zeit der Allmende wieder in ein allen gehörendes
Gemeinschaftsgut zurück verwandelt werden. Eigens dafür gebildete unabhängige
Körperschaften sollten den Boden mittels verzinslicher Staatspapiere
zurückkaufen und die Bodenflächen zeitbegrenzt den Meistbietenden gegen Pacht
zur privaten Nutzung überlassen.
Eine Steuer zur
Abschöpfung der Bodenrenten ähnlich wie Henry George schlägt Fritz Andres[4]
vor. Dazu soll die gegenwärtige Grundsteuer in eine Bodenwertsteuer umgewandelt
werden. Die gegenwärtige Steuer belastet Boden und Bauwerk. Die Änderung
– zunächst aufkommensneutral – stellt das Bauwerk frei und entlastet damit menschliche Arbeit, während der Boden und
damit Naturgebrauch entsprechend mehr belastet wird. Die Effekte dieser
Umwandlung sind sehr vielfältig: Ungenutzter Boden und Baulücken werden
mobilisiert und der von der Planung vorgegebenen Nutzung zugeführt. Die höhere
Steuerlast macht nämlich das Liegenlassen des Bodens weniger attraktiv. Die
Belastung hält die Eigentümer zu flächensparender Nutzung an. Je nach Höhe kann
die Steuer Planungswertgewinne, d.h. Wertsteigerungen aufgrund veränderter
Raumordnung bzw. Bauleitplanung, abschöpfen. Dies mindert das Interesse der
Eigentümer an der Beeinflussung der Planung und ist außerdem ein Gebot der
Gerechtigkeit. Die Steuererhebung wird wesentlich vereinfacht,
Steuerhinterziehung oder Steuerflucht erschwert! Sie ist eine der wenigen
Steuern, die den Besteuerungsgegenstand durch die Belastung nicht einschränkt,
sondern seine Verfügbarkeit erhöht. In Dänemark wurde 1922 diese Umwandlung
durchgeführt, und sie hat hervorragende bodenpolitische Wirkung! In England
gibt es Bestrebungen, eine solche LVT (Land Value Tax) einzuführen[5].
Beide Modelle, das Gesell’sche des
Rückkaufs verbunden mit (Erb-)Pacht gegen Meistgebot wie auch das der
Bodenwertsteuer, sind kombinierbar und in kleinen Schritten realisierbar. Sie
ermöglichen auf friedlichem Wege das Abschöpfen der Bodenrenten. Die
gleichmäßige Rückverteilung pro Kopf sichert einen Einkommenszufluss für jeden
Menschen. Nach Schätzungen des Verkehrswerts und der Fläche des nicht
landwirtschaftlich genutzten Bodens[6]
in Deutschland kann eine 5%-ige Besteuerung hier eine Einnahme von 100 Mrd.
Euro pro Jahr ergeben, also pro Kopf der Bevölkerung (80 Mio. Einwohner) 1250
Euro pro Jahr, also ca. 100 Euro ‚Grund‘einkommen aus Boden pro Kopf und Monat.
Als Anhaltspunkt für die Höhe der Bodenrenten schreibt Helmut Creutz[7]:
“Hätten die Stadtväter in Zürich im 19. Jahrhundert das Gebiet der früheren
Wallanlagen nicht verkauft, sondern nur verpachtet, dann könnten mit den heute
daraus fließenden Pachteinnahmen die gesamten öffentlichen Kosten der Stadt
bestritten werden.”
Anzumerken ist allerdings, dass eine
sofortige 5%ige Bodenwertsteuer einer Enteignung der Bodeneigentümer
gleichkommt, da so möglicherweise die Bodenrente komplett abgeschöpft wird.
Damit verschwindet der Verkehrswert des Bodens. Das Aufkommen muss also
zunächst zur Entschädigung der Eigentümer verwendet werden. Diese Beispiele
zeigen aber die große und aktuelle Bedeutung dieser Problematik.
Bei allen nicht vermehrbaren Naturgütern
ist es wie beim Boden: Immer wenn nämlich ein knappes Gut durch menschliche
Arbeit nicht vermehrbar ist, entsteht die Möglichkeit einer Knappheits- oder
Monopolrente: ein ökonomischer Vorteil ergibt sich allein aufgrund des
Eigentums oder der kostenfreien Nutzung, ohne eigene Leistung. Gleiche Teilhabe
aller Menschen an diesen natürlichen Knappheitsrenten ist unabdingbar für
soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften.
Beim Wasser wird die Aktualität
überdeutlich: Mit weltweit zunehmender Knappheit an Trinkwasser wächst das
Interesse kaufkräftiger Investoren an der Privatisierung von Wasserrechten,
also an der privaten Aneignung der steigenden Knappheitsrenten. Gleichzeitig
wächst die Notwendigkeit, das kostbare und knappe Gut zu schützen und doch
allen zugänglich zu machen.
Bei der Luft erkennen wir inzwischen klar
die begrenzte Aufnahmekapazität der Atmosphäre für CO2. Die weltweite
Klimaveränderung erfordert eine drastische Verringerung der Emissionen. Dafür
wurden im Kyoto-Protokoll sogenannte Emissionsrechte vereinbart. Sie wurden zum
größten Teil an die bisherigen (Groß-) Verbraucher der Ressourcen “verschenkt”
– im Ergebnis eine nahezu kostenfreie Weiter-Nutzung eines Umweltgutes nach dem
“Eroberungsstand” von 1990. Nur so viele Zertifikate, um wie viele der Ausstoß
verringert werden soll, werden gegenwärtig gehandelt. Inzwischen entwickelt
sich ein Markt für diese Rechte, und der Preis ist von anfangs fünf Euro pro
Tonne CO2 bereits deutlich gestiegen. Diese Summe, Teil des ökonomischen
Gegenwert des Wirtschaftsgutes “Recht auf CO2-Emission”, fließt als Geschenk
fast komplett an die “Viel-Emittierer”, also indirekt auch an diejenigen
Menschen, die mit ihrem Lebensstil die höchsten Emissionen an klimaschädlichen
Gasen produzieren.
Gibt es funktionstüchtige und wirksame
Vorschläge, um die Abschöpfung der Knappheitsrenten über den Boden hinaus auch
auf andere Umweltgüter auszuweiten? Die Struktur eines solchen Vorschlags kann
man folgendermaßen skizzieren: Auf der umweltpolitischen Planungsebene
wird für ein Umweltgut aus ökologischen Gründen eine Nutzungsbegrenzung
vereinbart. Dabei wird entweder die Menge (vgl. Kyoto-Protokoll), die genutzt
werden darf, oder ein Preis (ähnlich Ökosteuer) für die Nutzung festgelegt,
beides bezogen auf einen bestimmten Zeitraum, z.B. ein Jahr. Im ersten Fall
werden die Nutzungsanteile dann meistbietend an die Interessenten versteigert.
In beiden Fällen wird das Umweltgut durch die laufend anfallenden Entgelte
(Preise) geschützt. Gleichzeitig sorgt der (hohe oder steigende) Preis dafür,
dass das Umweltgut in der Weise bzw. dort genützt wird, wo seine
Nicht-Verfügbarkeit besonders teuer wäre oder sein Nutzen besonders groß ist.
Dies ist die Allokationsebene, auf der die Effizienz bzw. der Preis
“regelt”, wo oder wie das Gut genutzt wird bzw. wer es nutzt. Die pro Kopf
gleiche Ausschüttung der Gesamtsumme der Abgaben garantiert dann auf der Verteilungsebene,
dass für jeden Menschen eine “durchschnittliche” Nutzung des Umweltgutes
kostenfrei ist. Genau die entsprechende Durchschnittssumme wird nämlich im
Ergebnis an jeden einzelnen ausgezahlt! So kann unabhängig von der Höhe der
Abgabe jeder im Durchschnitt “mithalten”.
Kontinuierlich steigende Abgaben für den
Gebrauch von Umweltgütern führen zu entsprechenden Änderungen in den
Güterpreisen. Dies hat Auswirkungen auf das (Kauf-)Verhalten der Einzelnen,
ohne dass es eines “gläsernen Verbrauchers” bedarf. Gleichzeitig wird deutlich,
dass die Menschen, deren Lebensstil die Naturressourcen überdurchschnittlich
schont, ein echtes zusätzliches Nettoeinkommen erzielen. Es ist ein Einkommen
aufgrund der Leistung des besonders schonenden Umgangs mit den unvermehrbaren
Umweltgütern. Diese Leistung zum Erhalt der Lebensgrundlagen der Menschheit
wird im 21.Jahrhundert besonders notwendig sein!
Erst die genannte Verwendung, nämlich die
direkte Rückverteilung gleichmäßig pro Kopf, ermöglicht überhaupt die
politische Durchsetzung. Andernfalls werden durch steigende Umweltabgaben oder
Mengenbegrenzungen eine wachsende Anzahl von Menschen von der Nutzung der
Umweltgüter tendenziell ausgeschlossen. Dann entstehen massive
Verteilungskonflikte, und unsere natürlichen Lebensgrundlagen werden
beschleunigt zerstört werden.
Weitere
Auswirkungen der gleichmäßigen Rückverteilung
Haushalte mit Kindern
werden zu den Netto-Gewinnern gehören, denn Kinder sind im allgemeinen
unterdurchschnittliche Nutzer von Umweltgütern. Durch die überproportionale
Steigerung der niedrigeren Einkommen werden Nachfrage und Konjunktur belebt.
Dies steigert in der Tendenz die Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft, ohne
dabei den Schutz der Naturgüter zu behindern. Ausweitung der Produktion
geschieht also nur insoweit und nur dort, wo tatsächlich Bedarf ist. Die
Menschen verfügen nämlich über mehr Kaufkraft (Geld)! Gleichzeitig werden
Investitionen in eher umweltschonende Produktion gelenkt. Die Rückzahlung
stellt ein bedingungsloses Grundeinkommen dar. Dies erleichtert Schritte zur
Arbeitszeitverkürzung, denn die Rückzahlung erfolgt unabhängig von der
Erwerbsarbeit des Einzelnen. Anderes Arbeiten anstelle und neben der
Erwerbsarbeit wird begünstigt. Jedem Menschen ist eine “durchschnittliche”
Nutzung der Naturgüter möglich. Damit wird das Menschenrecht der gleichen und
kostenfreien Teilhabe an den Umweltgütern erfüllbar.
Konkrete
Beispiele und Zahlen
Berechnungen
des Solarenergie-Fördervereins (http://www.SFV.de)
geben einen Anhaltspunkt für eine solche Umweltabgabe: Eine Verteuerung der
verbrauchten Endenergie von 2500 Mrd. kWh im Jahr 2005 in Deutschland um 0,04
Euro pro kWh ergäbe eine Summe von 100 Mrd. Euro, die Belastung der fossilen
Energieträger entsprechend ihrem Energiegehalt ergibt dagegen ca. 160 Mrd. Euro
(Verbrauch in 2005 ca. 4000 Mrd. kWh)[8].
Pro Liter Diesel, Benzin, Heizöl führte jede der beiden Maßnahmen zu einer
Verteuerung von ca. 0,33 Euro, pro Kubikmeter Erdgas von etwa 0,40 Euro. Bei
Strom wäre die Wirkung der beiden Maßnahmen deutlicher unterschiedlich: fossil
erzeugter Strom würde deutlich mehr (Abwärme!), regenerativ erzeugter deutlich
weniger als 0,04 Euro pro kWh teurer. Für Atomstrom würde die Verteuerung
ähnlich wie bei fossilen Energieträgern ausfallen. Egal wie die Verteuerung
angesetzt wird, es ist ein echter Anreiz für das 1-Liter-Auto und öffentliche
Verkehrssysteme, sowie für eine Reduktion des Transports, also Begünstigung
eher regionaler Produktion und reparaturfreundlicher Produkte!
Die Stadtwerke Basel praktizieren bereits
einen kleinen Schritt in eine solche Richtung[9].
Ein Aufkommen von 160 Mrd. Euro ergibt eine
Ausschüttung von ungefähr 150 Euro pro Kopf und Monat in Deutschland.
Selbstverständlich muss diese Steuer entsprechend dem sinkenden Verbrauch
jährlich angehoben werden – solange noch fossile Energieträger verbraucht
werden! Bis 2030 ist sicher davon auszugehen. Gleichzeitig wird mit steigendem
Verbrauch an regenerativ erzeugter Energie die dann knappste Naturressource,
nämlich die biologisch produktive Fläche, in weitere Besteuerungen mit
einzubeziehen sein, flankiert von weiteren Bestimmungen zu ihrem Schutz.
Auswirkungen
beim Kyoto-Protokoll
Der dargelegte
Gedanke des Abschöpfens von Renten aufgrund natürlicher Knappheiten weist bei
der Weiterentwicklung des Kyotoprotokolls einen Weg: Durch eine weltweite
Versteigerung aller Emissionsrechte gegen Höchstgebot wird die Nutzung
der CO2-Emission möglichst effektiv. Die Rückverteilung der Erlöse ergibt in
der Summe eine Transferzahlung aus den hochindustrialisierten an die pro Kopf
unterdurchschnittlich emittierenden Staaten. Durch diese Zahlungen entsteht
dort ein eigenes Interesse an einem industriellen Wachstum mit geringerer
CO2-Emission, andernfalls versiegen nämlich die Zahlungen. Für die
erforderliche Technologie stehen Mittel aus eben diesen Zahlungen zur
Verfügung. Aber auch die Netto-Zahler, also wir, die Bürger der
Verschwender-Staaten, haben ein eigenes Interesse daran: die Klimaänderung hat
auch für uns dramatische Konsequenzen. Wer vorne am Abgrund steht, zahlt gerne
an denjenigen dahinter, wenn der dadurch seine Richtung so ändert, dass beiden
der Absturz erspart bleibt.
Wegen des genau bekannten CO2-Ausstoßes im
Verlauf des Verbrauchs fossiler Energieträger ist hier eine Kopplung sehr
einfach: Wer Kohlenstoff in Verkehr bringt, muss gleichzeitig die
erforderlichen Emissions-Zertifikate erwerben. Selbstverständlich werden die
dann “an der Quelle” entstehenden Kosten über die Preise auf die Endverbraucher
weitergewälzt. Ein durchschnittlicher Verbrauch fossiler Energie und somit der
durchschnittliche Ausstoß an CO2 im weltweiten Vergleich wird daher für die
Endverbraucher kostenneutral sein, sofern das Aufkommen aus der Versteigerung
der Emissionsrechte weltweit und das einer regional begrenzten zusätzlichen
Steuer auf fossile Energieträger regional ausgeschüttet wird.
Dieses Modell eines Naturressourcen-Grundeinkommens ist weltweit möglich und nötig. Es kann national wie
international stufenweise eingeführt werden. Es hat günstige Auswirkungen auf
die weltweiten Verteilungskonflikte. Es befördert ressourcenschonendes Wachstum
– wo nötig!
Im Bereich Boden und Ressourcen ist der
hier skizzierte Ansatz zukunftsweisend. Er ist im Einklang mit den Zielen der Agenda21,
wie sie die UNO aufgrund des Brundlandt-Reports in weltweiten Konferenzen
verabschiedet hat. Er verbindet sachgerecht marktwirtschaftliche und egalitäre
Prinzipien. Er kann sogar als Modell für eine umlaufgesicherte, inflationsfreie
Währung betrachtet werden[10].
Eine solche Änderung unseres Geldsystems
werden wir brauchen, um uns vom Wachstumsdruck zu befreien: Die
Funktionsnotwendigkeit weiter wachsender Produktion, resultierend aus
wachsenden Geldvermögen und Schulden, verbunden mit immer mehr “Geld ohne
Bedarf” und “Bedarf ohne Geld”, führt sonst zum Kollaps. Hingegen ermöglicht eine Währung, die den
Geld-Güter-Kreislauf schließt, die also Angebot und Nachfrage auf dem
Gesamtmarkt zum Ausgleich bringt, auch das Sinken des Angebots, wenn der Bedarf
gesättigt ist – ein uns gegenwärtig fast undenkbar erscheinender Zustand, der
aber Frieden auf vielen Ebenen ermöglicht.
Weitere Gedanken und offene Fragen
● In Diskussionen
über das bedingungslose Grundeinkommen wird häufig als Kritik die Entkopplung
von Arbeit und Einkommen, die aus der Bedingungslosigkeit resultiert,
angeführt. Zu bedenken ist dabei, dass bereits in der bestehenden sog.
‚Leistungsgesellschaft‘ Arbeit und Einkommen oftmals voneinander getrennt sind:
Zum einen wird unendlich viel Arbeit ohne Einkommen, ohne Gegenleistung und mit
minimaler sozialer Absicherung verrichtet. Es ist dies insbesondere die
Pflegearbeit an den jüngsten und ältesten und z.B. den chronisch kranken
Mitgliedern einer Gesellschaft. Es ist die ehrenamtliche Arbeit, die in vielen
sozialen Bereichen, bei der Integration von Migrantinnen und Migranten, im
weitesten Sinne zum Zusammenhalt einer Gesellschaft und zum Erhalt einer
Demokratie geleistet wird. Zum anderen fließen zunehmende Einkommensströme
ausschließlich aufgrund des Eigentums an Vermögen, allein aufgrund des
Eigentumstitels und ohne eigene Leistung. Für Bodeneigentum wurde dies oben
angedeutet. Für Zinseinkünfte auf Geldvermögen ist dies offenbar. Für Gewinne
aufgrund von Aktienvermögen, von Devisengeschäften, Fondsanteilen wird dies
immer drastischer deutlich.
Es ergeben sich noch ganz andere Fragen: Wie definieren wir
Leistung, die ja im Begriff der Arbeit inhärent ist? Ist die
(Wieder-)Verkopplung von Arbeit bzw. Leistung und Einkommen wirklich das Ziel,
oder eher eine Methode zur Erreichung von Zielen? Was sind dann die Ziele? Die
Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die gleiche Teilhabe aller
Menschen daran muss sicher ein Ziel sein. Ein weiteres Ziel muss die soziale
und politische Teilhabe aller Menschen an den Gemeinwesen sein. Alle Methoden –
rückverteilte Ressourcenabgaben, Bodenreform, “fließendes” Geld, Grundeinkommen
– müssen sich daran messen lassen, wie sie die Erreichung dieser Ziele ermöglichen bzw. ob sie sich gegenseitig
behindern oder nicht.
Im Hinblick auf den Leistungsbegriff und den Schutz der
Naturressourcen liegt es nahe, ein Verhalten als Leistung zu bezeichnen und mit
Einkommen auszustatten, das diesen Schutz besonders nachhaltig gewährleistet.
Genau dieser Gedanke wird in der Erhebung und Ausschüttung der
Ressourcenabgaben realisiert. Mögliche Entwicklungen als Folge einer
entschlossen durchgesetzten Ressourcenbesteuerung, auch auf die
Regionalentwicklung, sind im Detail noch zu untersuchen. Durch die induzierte
stärkere Nachfrage nach reparaturfreundlichen Produkten und nach deren
Wiederherstellung – der Ressourcendurchsatz ist so geringer, der Aufwand an menschlicher Arbeitskraft dagegen größer – könnte z.B. Erwerbsarbeit in ganz anderer, sehr viel
menschlicherer Weise wieder aufblühen.
Gleichzeitig ist dies ein Konzept zur Abschöpfung und
Rückverteilung von natürlichen Monopolrenten. Ähnlich zielt die Geldreform
darauf, die “Pseudo-Knappheit” des Geldes und die daraus resultierende
“Monopolrente”, den Zins, sanft verschwinden zu lassen. Beides zielt also auf
die Überwindung leistungsloser Vermögenseinkünfte und erleichtert so – direkt
durch Rückverteilung und indirekt durch eine andere ökonomische Dynamik – die
Teilhabe der Menschen am Gemeinwesen.
Auch das Grundeinkommen
will soziale und politische Teilhabe in Würde ermöglichen. Es adressiert die
gegenwärtige Verschärfung des Ausschlusses von Arbeitseinkommen. Es zielt also
methodisch anders in die gleiche Richtung wie die Gedanken der Fairconomy[11].
Christoph Strawe bemerkt dazu, es wäre “dogmatisch, die Notwendigkeit einer
Reform der Geld- und Bodenordnung gegen die Forderung nach einem
bedingungslosen Grundeinkommen auszuspielen.”[12]
Weiterhin ist die Frage der Finanzierung
grundlegend für die Qualität eines Grundeinkommens, und selbstredend ist dies
kompliziert. Trotz dieser Komplexität gibt es bereits durchgerechnete
Modellvarianten sowohl vom Netzwerk Grundeinkommen als auch von der
Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)[13].
● Könnte ein Grundeinkommen, ko-finanziert durch gezielte
Ressourcenbesteuerung, durch allgemeine Verbrauchssteuern (Vorschlag von Götz
Werner) und Anhebung “traditioneller” Steuern wie Vermögenssteuer,
Erbschaftssteuer, Börsenumsatzsteuer u.ä., politisch vielleicht eher
realisierbar sein als die “Geldreform”? Wie könnten sehr konkret
Komplementärwährungsprojekte, die fließendes Geld modellhaft vorbereiten und
erproben, mit dem Grundeinkommensgedanken kombiniert werden? Jedenfalls sind
das Grundeinkommen, das so grundlegend eine Begegnung von Menschen in Freiheit
und Würde ermöglicht und Selbstorganisation (Kai Ehlers)[14]
befördert, sowie ein “fließendes Geld” Reformprojekte, die sich gegenseitig
bereichern und befördern und gemeinsam große politische Dynamik entfalten
können.
[1] Jeremy Rifkin: ”Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft”, erschienen 2004 bei Campus
[2] Thomas Spence,
Das Gemeineigentum am Boden, Leipzig 1904; Nachdruck: Glashütten/Taunus 1974. –
Vgl. auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Spence
[3] Henry George, Fortschritt und Armut – eine Untersuchung über die Ursache der industriellen Krisen und der Zunahme der Armut bei zunehmendem Reichtum (1879), Düsseldorf 1959. – Werner Onken, Henry George - ein Sozialreformer des Gedankens und der Tat, in: Fragen der Freiheit Nr. 245/1997, S. 3 – XX
[4] siehe Heft Nr. 257 Schriftenreihe ”Fragen
der Freiheit” des Seminars für Freiheitliche Ordnung, Badstr. 35,
D-73087
Bad Boll, http://www.sffo.de
[5]
http://www.labourland.org
[7] Helmut Creutz: Das Geld-Syndrom, München 2001 S.577
[9] Vgl. z.B. http://www.iwb.ch/media/Online-Schalter/Dokumente/lenkungsfoerderabgabe.pdf)
[10] Text von Prof. Hans Peter Aubauer, Wien: Ökologische, globalsolidarische und soziale Zügel für den Kapitalismus http://homepage.univie.ac.atpeter.weish/interessante_texte/Z%FCgelung%20des%20Kapitalismus.pdf#search=%22Aubauer%20Z%C3%BCgel%22
[11] Vgl. dazu die Website www.fairconomy.de
[12] Christoph Strawe, Überlegungen zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens, in: Götz Werner und André Presse (Hrsg.), Grundeinkommen und Konsumsteuer – Impulse für Unternimm die Zukunft. Karlsruhe 2007, S. 133.
[13] Vgl. die Webseiten www.grundeinkommen.info und www.archiv-grundeinkommen.de sowie http://www.kirche-im-bistum-aachen.de/kiba/dcms/traeger/0/kab-dioezesan-verband-aachen/Kampagnen/index1.html
[14] Kai Ehlers: Grundeinkommen für alle – Sprungbrett in eine integrierte Gesellschaft, Dornach 2006