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Georg
Vobruba
Entwicklung
und Stand der deutschen Diskussion um ein garantiertes Grundeinkommen
Discussion
Paper IIM/LMP 85 – 16
Wissenschaftszentrum
Berlin Dezember1985
ISSN Nr.
0722-673X
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung 1
2. Die
Wurzeln der Idee 2
3.
Gesellschaftliche Totalutopien 3
4. Utopische
Dualmodelle 6
5. Die
Wiederaufnahme der Utopie-Perspektive 9
6. Probleme
lohnarbeitszentrierter Sozialpolitik und garantiertes Grundeinkommen 12
7. Schlug 18
8. Anhang 19
Literatur 22
Zusammenfassung
Die
Diskussion um ein garantiertes Grundeinkommen wird seit etwa zwei Jahren
intensiv geführt. Diese Arbeit soll als Einführung in die Diskussion dienen.
Nach einem kurzen Blick auf die Wurzeln der Idee eines garantierten
Grundeinkommens in den klassischen Utopien, werden Konzepte, die um die
Jahrhundertwende präsentiert wurden, vorgestellt. Dann wird gezeigt, in welcher
Weise neue Vorschläge zu einem garantierten Grundeinkommen - explizit oder
implizit - an den älteren Konzepten anknüpfen, und wie sie sich von diesen
unterscheiden. Von besonderem Interesse ist dabei das veränderte Verhältnis der
neuen Vorschläge zu Problemen des Arbeitsanreizes und der Beschäftigung.
Ausgehend von Schwierigkeiten, denen die gegebene lohnarbeitszentrierte
Sozialpolitik durch die Entwicklung der letzten zehn Jahre ausgesetzt ist, wird
der Vorschlag eines garantierten Grundeinkommens in seinem Verhältnis zu und in
Abgrenzung von anderen Vorschlägen zur Erneuerung der Sozialpolitik
dargestellt. Schließlich werden einige Problempunkte genannt, auf die sich die
neue Diskussion um ein garantiertes Grundeinkommen wird konzentrieren (müssen).
Als Anhang wird der erste, in der Literatur verfügbare, Versuch einer
Kostenschätzung vorgestellt.
Die Arbeit
ist zugleich eine Vorstudie zu einem umfangreicheren Projekt, in dem es um die
Rekonstruktion der Idee und der Ansätze zur Verwirklichung einer allgemeinen
materiellen Grundsicherung, um ihr Verhältnis zum Arbeitsmarkt und um
gegenwärtige Realisierungschancen und -probleme gehen wird.
Abstract
Intensive discussion about a guaranteed basic income
began some two years ago. The present paper is intended as in introduction to
this discussion. Brief reference to the roots of the idea of a guaranteed basic
income in the classical utopias is followed by a discussion of concepts first
presented at the turn of the present century. It will then be shown how recent
proposals for a guaranteed basic income connect, implicitly or explicitly, with
earlier concepts, how they are similar and how they differ. Particular
attention is given to how recent proposals view issues of motivation to work
and employment. Against the backcloth of the difficulties experienced by
contemporary earnings-related social policy during the last ten years or so,
the idea of a guaranteed basic income is examined in relation to other
proposals for reforming social policy. The paper raises finally several
problems which the new discussion about a guaranteed basic income will have to
tackle. An appendix presents a first attempt to estimate the costs of such a
policy.
The paper represents a preliminary study for a wider
project intended to reconstruct the idea and to examine strategies for
realising a general guaranteed material existence minimum, its relationship to
the labour market and the present prospects for and constraints an the
probability of its introduction.
1.
Einleitung
Der
Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sieht ein
Gespenst: "Ein Gespenst geht um in Europa: die 'systemsprengende' Idee
eines garantierten Mindesteinkommens. Geistiger Vater dieses Gespensts ist
Milton Friedman, der Papst des Monetarismus" (Glotz 1986:135). Nun - Milton
Friedman mag der Vater so mancher Gespenster sein. Das garantierte
Grundeinkommen ist jedenfalls nicht seine Idee. Er war einer ihrer Verfechter
unter vielen (vgl. Friedman 1984). Richtiger dagegen ist die Beobachtung, daß
die Diskussion um ein garantiertes Grundeinkommen in jüngster Zeit an Breite
gewinnt. In der Tat: Die Idee "geht um". Im folgenden werde ich einen
kurzen Überblick über die Geschichte der Forderung nach einem garantierten
Grundeinkommen geben. Dieser Überblick soll nicht nur den Sinn haben zu zeigen,
daß es sich keineswegs um eine neue Forderung handelt. Er soll auch deutlich
machen, in welchen unterschiedlichen Zusammenhängen und mit welchen
unterschiedlichen Stoßrichtungen die Forderung nach einem garantierten
Grundeinkommen laut wurde und wie sehr sie gesellschaftspolitisch uneindeutig
ist. Daran anknüpfend werde ich dann kurz auf die gegenwärtige
Grundeinkommens-Debatte eingehen.
Die Frage
nach der allgemeinen Akzeptanz eines garantierten Grundeinkommens bleibt hier
unerörtert. Sicher ist, daß die Forderung nach einem garantierten
Grundeinkommen so etwas wie einen "Bürgerschreckeffekt" (Schreyer
1986) hat. Sicher ist, daß die Maxime "wer nicht arbeitet, soll auch nicht
essen" tief sitzt - trotz der zahlreichen faktischen Durchbrechungen (vgl.
Vobruba 1985). Zumindest wahrscheinlich ist aber, daß die dieser Maxime
zugrunde liegende Leistungsethik Erosionsprozessen ausgesetzt ist (vgl. Offe
1970), und es gibt auch Anzeichen dafür, daß unter dem Eindruck der andauernden
Beschäftigungskrise und der abnehmenden Leistungsfähigkeit der tragenden
lohnarbeitszentrierten Teile des Systems sozialer Sicherung sich bei einigen
Bevölkerungsgruppen ein Einstellungswandel (vgl. Esser, Fach, Väth 1983:206f.)
abzeichnet, der die Einführung von Grundsicherungselementen (samt der
Perspektive auf ein garantiertes Grundeinkommen) doch begünstigt (vgl. Graue
Panther 1985; AlSO, taz 19.12.1984). Allerdings könnten sich durch die
Entwicklung einer sich vertiefenden Gesellschaftsspaltung auch verschärfte
Interessenkonflikte über das System sozialer Sicherung und seinen Umbau in
Richtung auf ein garantiertes Grundeinkommen abzeichnen. Dies sind Fragen, die
einstweilen offen bleiben müssen.
2. Die
Wurzeln der Idee
Die Anfänge
der Idee eines garantierten Grundeinkommens lassen sich schwer datieren.
Entwürfe zu Gesellschaften, in denen jede(r) das erhält, was sie/er zum Leben
braucht, finden sich schon in den "klassischen" Utopien: In Morus'
Utopia (1517), in Campanellas Sonnenstaat (1623) und in Bacons Neu-Atlantis
(1638). Der Schwerpunkt lag hier allerdings noch anders. In diesen Utopien ging
es darum - gegen die Verhältnisse der Feudalgesellschaft -, die
gesellschaftlichen Konsequenzen einer Verallgemeinerung des Arbeitseinsatzes zu
verdeutlichen. In Utopia gibt es "keine Möglichkeit zum Müßiggang und
keinerlei Vorwand, sich vor der Arbeit zu drücken" (Morus 1983:63). Da
alle arbeiten müssen, müssen alle nur relativ kurz (sechs Stunden am Tag)
arbeiten. Durch den allgemeinen Arbeitseinsatz einerseits, die begrenzten,
"vernünftigen" Bedürfnisse andererseits, wird das Problem
ökonomischer Knappheit "bewältigt" - eine Konstruktion, die uns in
allen jüngeren Utopien ebenfalls begegnen wird. Auf der Basis derart
bewältigter Knappheit ist dann die Versorgung aller möglich. Es ist dies, da es
nur notwendige Güter gibt und die Versorgung mit diesen allgemein ist, eine
Totalversorgung; also eigentlich noch kein Grundeinkommen.
Diese gegen
die Nicht-Arbeit des Adels gerichtete Wendung findet sich später noch z.B. bei
Fourier und bei Wilhelm Weitling. Aber während in den klassischen Utopien die
Güterproduktion auf das Notwendige beschränkt und die Versorgung aller mit den
notwendigen Gütern daher eine Totalversorgung ist, führt Weitling eine
Unterscheidung ein, die für die späteren eher pragmatisch gehaltenen Entwürfe
konstitutiv ist: Die Unterscheidung von notwendigen Gütern und Luxusgütern. Für
den Bereich des Notwendigen entwickelt Weitling eine komplizierte (Pflicht-)
Arbeitsorganisation. "Wenn es also nötig ist, eine gewisse Arbeitszeit zu
bestimmen, so kann es nur die des Notwendigen und Nützlichen sein, nicht aber
die für die Hervorbringung des Angenehmen, solange die Begierde nach denselben
nicht bei allen allgemein geworden ist" (Weitling 1842; 1955). Weitling versteht
also seine Unterscheidungen in notwendige und Luxusgüter und die Beschränkung
der Arbeitspflicht auf die Herstellung ersterer als vorläufige - bis zu dem
Zeitpunkt, da sich die Luxusbedürfnisse verallgemeinert haben. Eine intensive
Diskussion setzte dann gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein. Ich unterscheide
zwei Richtungen: Die Totalutopien, die auf der aus den klassischen Utopien
herkommenden Idee der Vollversorgung aufbauen und die utopischen Dualmodelle,
für die die von Weitling eingeführte Unterscheidung von notwendigen und
Luxusgütern konstitutiv ist.
3.
Gesellschaftliche Totalutopien
In
zahlreichen Zukunftsromanen jener Zeit wurden Gesellschaften jenseits
materieller Not beschrieben. Die bei weitem größte Verbreitung und den
intensivsten Einfluß hatte der Roman "Looking backward" von Edward
Bellamy. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der im Jahre 1887
einschläft, im Jahre 2000 wieder erwacht und eine von Grund auf veränderte
Gesellschaft kennenlernt. Das Buch, zuerst in englischer Sprache erschienen,
wurde "in vielen Millionen von Exemplaren in den Vereinigen Staaten
gedruckt und in über zwanzig Sprachen übersetzt" (Fromm 1981:273). In
Bellamys Zukunftsgesellschaft haben alle, über eine Art Kreditkartensystem;
Anrecht auf die erwünschten Güter. (Folgt man der Schilderung jener Zustände,
so war auch erheblicher Luxus darin inbegriffen.) Dafür gibt es auch für alle
eine 24jährige Arbeitspflicht. Allerdings ist die Arbeit "zu sehr eine
Sache, die sich von selbst versteht, als daß es des Zwangs bedürfe ..."
(Bellamy 1887). Für das Gesellschaftsverständnis und die Zukunftshoffnungen
relativ weiter Kreise war gegen Ende des 19. Jahrhunderts der offenkundige
Widerspruch zwischen den technisch-ökonomischen Potentialen (die bisweilen
etwas überschätzt wurden) und der realen Armut breiter Schichten jener Zeit
maßgebend. Das kann einerseits den Erfolg von "Looking backward"
erklären und war andererseits Ausgangsfrage weiterer
"Zukunftsbilder".
"Warum
werden wir nicht reicher nach Maßgabe unserer wachsenden Fähigkeit, Reichtum zu
erzeugen?", fragt Theodor Hertzka in seinem Roman "Freiland. Ein
sociales Zukunftsbild" (1890:XIV). Seine Antwort darauf ist erstaunlich
"modern": "Weil der Reichtum nicht in dem besteht, was erzeugt
werden könnte, sondern in dem, was thatsächlich erzeugt wird, die thatsächliche
Produktion aber nicht bloß vom Ausmaße der Produktivkräfte, sondern ebenso auch
vom Ausmaße des Bedarfs, nicht bloß vom überhaupt möglichen Angebote, sondern
ebenso von der überhaupt möglichen Nachfrage abhängt - letztere aber durch die
geltenden socialen Einrichtungen verhindert ist, parallel mit den produktiven
Fähigkeiten zu wachsen" (Hertzka 1890:XX). Hertzka präsentiert also eine
quasi vor-vor-keynesianische Diagnose. Seine Utopie spielt in geographischer
Ferne im Gebiet von Kenia. Auch hier ist ökonomische Knappheit
entproblematisiert. Ausschlaggebend dafür sind Automation, bequeme - und daher
gerne verrichtete - Arbeit und Solidarität. Der Besucher jenes Landes
schildert: "Von der Großartigkeit der maschinellen Einrichtungen, von der
unermeßlichen Kraftfülle, welche die gebändigten Elemente hier dem Menschen zur
Verfügung stellen, kann sich der Abendländer ebensowenig Vorstellung machen als
von dem raffinierten, ich möchte fast sagen, aristokratischen Komfort, mit
welchem die Arbeit überall umgeben ist . ... Ich war auch unter der Erde in den
Kohlengruben und in den Eisenminen; auch dort fand ich es nicht anders: keinen
Schmutz, keine aufreibende Plage für den Menschen, der in vornehmer Ruhe
zusieht, wie seine gehorsamen Geschöpfe aus Stahl und Eisen für ihn schaffen,
ohne zu ermüden und zu murren, von ihm nichts anderes verlangend, als daß er
sie lenke" (Hertzka 1890:178).
Hertzka ist
sozialreformerisch orientierter Fachökonom (Freiland ist sein einziges
literarisches Werk.). Er will kein Schlaraffenland konstruieren. Ein Bewohner
Freilands erläutert: "Auch wir kämpfen den Kampf ums Dasein, denn mühe-
und arbeitslos fällt auch uns der Genuß nicht in den Schoß. Aber nicht
gegeneinander, sondern miteinander stehen wir in unserem Streben ..."
(Hertzka 1890:181).
Peter
Kropotkins Ausgangspunkt gleicht dem von Hertzka fast auf s- Wort: "Wir
sind reich in unseren zivilisierten Gesellschaften. Woher also das Elend, das
um uns herum herrscht?" (Kropotkin 1918:3) Kropotkin faßt seine
Vorstellungen allerdings nicht in Romanform. Gelten soll das Prinzip:
"Nehmt soviel, als ihr bedürft" (S. 32). Die "Eroberung des
Brotes" - "la conqu´e`te du pain" ist der Titel der
französischen Originalausgabe - ist für den Anarchisten Kropotkin das
Entscheidende. Die "Eroberung der Macht" ist dagegen das falsche Ziel
der "autoritären Sozialisten". "Das Recht auf Wohlstand ist die
soziale Revolution, das Recht auf Arbeit ist günstigenfalls ein industrielles Zuchthaus"
(S. 27). Die Eroberung des Brotes "bedingt die Expropriation. Der
Wohlstand für alle ist das Ziel, die Expropriation das Mittel" (S. 20).
Auch
Kropotkin setzt Hoffnung in radikale Automation. Dabei legt er als der - meines
Wissens - erste Autor auch Wert auf Rationalisierung der Hausfrauenarbeit und
betont die Erfindung des Geschirrspülautomaten.
Die Autoren
der (von mir so genannten) Total-Utopien haben ihre Entwürfe keineswegs als
reine Phantasieprodukte verstanden, sondern immer wieder versucht,
wissenschaftlich faßbare Tendenzen gesellschaftlicher Entwicklung, die auf ihre
Utopie hinstreben, ins Treffen zu führen. "Der 'Rückblick"', schreibt
Bellamy im Nachwort zu seinem Roman, "wenn auch seiner Form nach ein
phantastischer Roman, ist allen Ernstes als ein mit den Gesetzen der
natürlichen Entwicklung in Einklang stehender Vorausblick auf die nächste Stufe
in der industriellen und sozialen Entwicklung der Menschheit, vor allem in
diesem Lande, gedacht ..." (Bellamy 1887:213, 214). Und Kropotkin versucht
eine allgemeine Tendenz zu zunehmender Entkoppelung von materieller Versorgung
und eigener Leistung zu belegen. So weist er zum Beispiel auf die
Einheitspreise der Post (unabhängig vom Briefweg innerhalb eines Landes) und
resümiert: "Es liegt unbestreitbar, so schwach sie auch noch sein mag, die
Tendenz vor, die menschlichen Bedürfnisse von der Größe der Dienste, welche der
Mensch der Gesellschaft geleistet hat oder leisten wird, unabhängig zu
machen" (Kropotkin 1918:33).
4. Utopische
Dualmodelle
Von solchen
phantasiereichen, eher mit intuitiven Belegen arbeitenden Entwürfen setzen sich
die Vertreter der utopischen Dualmodelle explizit ab. Sie ergehen sich weder in
Spekulationen über die materielle Bescheidenheit und Vernünftigkeit des Volkes
bei seiner Güternachfrage, noch rechnen sie mit freiwilligem, freudigem
Arbeitseinsatz infolge verbesserter Arbeitsbedingungen und Einstellungswandel.
Ihr Ausgangspunkt ist vielmehr die, bei Wilhelm Weitling schon anklingende,
Unterscheidung von Bedürfniskategorien: notwendige Bedürfnisse und
Luxusbedürfnisse (vgl. Novy 1978:251ff.). Damit erst ist die Voraussetzung für
das Konzept eines Grundeinkommens im engeren Sinne geschaffen. Denn die
Überlegungen um die Sicherstellung der Versorgung für alle drehen sich nur um
den Bereich des Notwendigen. Atlanticus (das ist das Pseudonym des
Statistik-Professors Karl Ballod) und Josef Popper-Lynkeus sind die wichtigsten
Vertreter dieser Richtung. Beide Autoren standen zur Sozialdemokratie in
kritischer, aber nicht allzu großer Distanz. Immerhin verfaßte Karl Kautsky ein
ausführliches Vorwort zu Atlanticus' Buch "Ein Blick in den Zukunftsstaat.
Produktion und Konsum im Sozialstaat" (1898). Aus dieser Einleitung wird
auch gleich klar, wie prekär die weltanschauliche Einordnung der Verfechter
eines garantierten Grundeinkommens ihren Zeitgenossen erschien, und - vor allem
- wie hart sich die Sozialdemokratie darin tat, eine Position dazu zu beziehen.
Kautsky schreibt: "Mancher wird sich vielleicht darüber wundern, wie wir
dazu kamen, uns für die Herausgabe dieser Schrift zu interessieren, die
keineswegs von unserem Standpunkt aus geschrieben ist. Der Verfasser steht
Anton Menger näher als Marx, und er wendet sich in seiner Arbeit zu
wiederholten Malen sowohl gegen einzelne Marxisten, wie gegen unsere ganze
Richtung. Aber bei allen Verschiedenheiten und Gegensätzen ist er doch
Sozialist, und seine Schrift hatte keine Aussicht, in einem bürgerlichen Verlag
angenommen zu werden" (Kautsky in Atlanticus 1898:V). Dem Sozialisten
Kautsky, der die Einleitung zugleich zur Polemik gegen Bernstein nützt,
erscheint die Arbeit Atlanticus' immerhin als wissenschaftlicher Teil-Nachweis
der Einlösbarkeit sozialistischer Programme der Gesellschaftsveränderung:
"Die vorliegende Schrift ist unseres Wissens die erste, die ziffernmäßig
den Beweis zu erbringen versucht, daß schon mit den heutigen Produktivkräften,
bei liberalster Entschädigung der bisherigen Kapitalisten und auch noch ihrer
Nachkommen, Wohlstand für alle Mitglieder der Gesellschaft möglich ist, wenn
die Gesellschaft die planmäßige Produktion wenigstens aller notwendigen
Konsummittel in die Hand nimmt" (XVIII).
Atlanticus'
Vorschlag beruht auf der Zweiteilung in notwendige und Luxusgüter. "Der
Staat hat für die Herstellung der gewöhnlichen Kleidungs- und Nahrungsstoffe,
sowie der Baumaterialien, der staatlichen Gebäude und Kommunikationsmittel zu
sorgen. Die Produktion von Luxusgegenständen, Möbel, das Bauen von Wohnhäusern,
die Besorgung von Gärten, des Haushalts, Herausgeben von Büchern und
Zeitschriften kann er getrost der Privatsphäre überlassen" (Atlanticus
1898:4, 5). Trotz dieses rigorosen planerischen Ansatzes bleibt Atlanticus
merkwürdig unentschlossen hinsichtlich der Frage der allgemeinen Pflicht, an
diesem System zu partizipieren und dafür eine entsprechende Pflichtarbeit
abzuleisten. "Ein jeder, der arbeiten will, muß in den Stand gesetzt
werden, Beschäftigung vom Staate zu erhalten. Die Arbeiten können nach
Ableistung eines bestimmten Arbeitspensums, resp. einer bestimmten Anzahl von
Normalarbeitsjahren und Tagen, welche für jeden Beruf durch sorgfältige
Untersuchung festgestellt werden müssen, für die übrige Lebenszeit vom Staate
eine lebenslängliche Pension beziehen, welche gerade für genügende Nahrung und
Kleidung ausreicht" (Atlanticus 1898:5; Hervorhebungen von mir). Die
Auszahlung des Grundeinkommens erfolgt in Geld. Die Teilnahme ist letztendlich
fakultativ.
Dies sind
die beiden Hauptangriffspunkte für Josef Popper-Lynkeus. Die Forderung nach
einem garantierten Grundeinkommen hatte er schon 1878 in dem Buch "Das
Recht zu leben und die Pflicht zu sterben" erhoben. Bereits hier
unterscheidet er eine "Volkswirtschaft des Nothwendigen", in der es
"eine ausnahmslose Nährpflicht" (Popper-Lynkeus 1878:150) gibt und
eine "Volkswirtschaft des Überflusses", in welchem, wie er meint,
auch schon bisher nicht-materielle Arbeitsmotive maßgeblich sind. Eine
ausführliche Formulierung und detaillierte Berechnung des Programms einer
"allgemeinen Nährpflicht" gibt Popper-Lynkeus dann in dem 1912 erschienenen
Buch "Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage". Er
faßt sein Programm so zusammen: "Die soziale Frage als Magenfrage ist zu
lösen durch die Institution einer Minimum- oder Nährarmee, die alles das
produziert oder herbeischaffen hilft, was nach den Grundsätzen der Physiologie
und Hygiene der Menschen notwendig ist . ... Die Versorgung dieses Lebens- oder
Existenzminimums geschieht in natura, also nicht in Geldform, ausnahms- und
bedingungslos für alle dem Staate angehörigen Individuen; nur werden die
tauglichen unter ihnen verhalten, eine bestimmte Anzahl von Jahren in der
Nährarmee zu dienen. Das Minimum sichert jedem: Nahrung, Wohnung nebst
Wohnungseinrichtung, Kleidung, ärztliche Hilfe und Krankenpflege. Alles das,
was nicht zu diesem Minimum gehört, gilt als Luxus und bleibt der freien
Geldwirtschaft, mit Privateigentum und Vertragsfreiheit, vorbehalten, welche,
da die Existenz aller gesichert ist, eventuell noch freier betrieben werden
kann als heute" (Popper-Lynkeus 1912:5). Die Leistung des Grundeinkommens
in Naturalien und die absolute Zwangsteilnahme am Grundversorgungssystem samt
entsprechender Arbeitspflicht (und zwar 13 Jahre) - dies hebt Popper-Lynkeus
als die beiden essentiellen Unterschiede zum Konzept von Atlanticus hervor,
denn dieses sei "im Grunde nichts anderes als eine - jedenfalls nicht
unbeträchtliche - Erweiterung des alten Rechts auf Arbeit" (Popper-Lynkeus
1912:503). Mit dieser Wendung gegen ein Recht auf Arbeit - was ihn
notwendigerweise in Gegensatz zu den Sozialisten bringen mußte - steht
Popper-Lynkeus in gewisser Verwandtschaft zu Kropotkin.
Das Konzept
einer "allgemeinen Nährpflicht" fand zahlreiche Anhänger. In Wien
entstand eine "Nährpflicht-Propagandastelle", die es sich zur Aufgabe
machte, die Idee in leicht faßlicher Form aufzubereiten und zu verbreiten.
Politisch-praktische Konsequenzen hatte das Konzept von Popper-Lynkeus freilich
nicht.
Die Werke
von Atlanticus und Popper-Lynkeus erlebten zahlreiche Neuauflagen und
stimulierten die Diskussion bis in die 20er Jahre. Nachfolgearbeiten zum
garantierten Grundeinkommen gab es im deutschen Sprachraum in jener Zeit
(meines Wissens) aber keine. In der Weltwirtschaftskrise ist die Idee dann wohl
gänzlich untergegangen.
5. Die
Wiederaufnahme der Utopie-Perspektive
In jüngster
Vergangenheit hat die Diskussion um ein garantiertes Grundeinkommen vor allem
von A. Gorz (1983) wesentliche Impulse erhalten. Gegenüber den älteren
Diskussionen hat sich die Stoßrichtung in einem gewissen Sinne umgekehrt. Die
älteren Konzepte waren armutspolitisch angelegt und behandelten die Frage, wie
der notwendige Arbeitseinsatz zu regeln sein, als ein - allerdings
entscheidendes - Nebenproblem. Gorz und unmittelbar nach ihm eine Anzahl
weiterer Autoren setzen anders an. Sie kehren in einem gewissen Sinn zu den
klassischen gesellschaftlichen Gesamtutopien zurück, indem sie deren wichtigste
Unterstellung aufnehmen: daß man vom Problem ökonomischer Knappheit
(weitgehend) absehen kann. Freilich geschieht dies in den neuen Beiträgen nicht
über die spekulativen Annahmen der gesellschaftlichen Gesamtutopien, daß in der
"anderen Gesellschaft" sich der Arbeitseinsatz als freudig-freiwillig
und der Bedarf an Gütern als vernünftig-maßvoll herausstellen werden (s.o.).
Nun wird vielmehr davon ausgegangen, daß säkular hohe
Produktivitätssteigerungen dazu führen werden, daß sich die gegenwärtig
gegebene enge Verknüpfung von Arbeit und Einkommen mehr und mehr erübrigen
werde und erübrigen müsse. So geht Gorz davon aus, daß das Quantum
gesellschaftlich notwendiger Arbeit, daß auf die/den einzelnen) entfällt, Ende
des Jahrhunderts bei etwa 20.000 Stunden Lebensarbeitszeit liegen werden (vgl.
Gorz 1983:68). "Nun bedeuten aber 20.000 Stunden pro Leben zehn Jahre
Vollarbeit oder zwanzig Jahre Teilzeitarbeit oder - weit plausibler vierzig
Jahre unregelmäßige Arbeit ..." (Gorz 1983:68). Um ein Wechseln zwischen
der (technisch bedingt drastisch reduzierten) Lohnarbeit und anderen
Tätigkeitsformen zu ermöglichen, soll eine "lebenslängliche
Einkommensgarantie" gegeben werden. Diese gilt "nicht mehr als
Entschädigung, Beihilfe oder staatliche Betreuung des Individuums, sondern als
die gesellschaftliche Form, die das Einkommen annimmt, wenn die Automatisierung
nicht nur den ständigen Zwang zur Arbeit, sondern auch das Wertgesetz und die
Lohnarbeit selbst abgeschafft hat" (Gorz 1983:69). Der technische
Fortschritt produziert somit nicht nur das Problem: daß immer weniger Menschen
in Lohnarbeit Verwendung finden können, sondern liefert auch die Voraussetzung
für seine Lösung: "In technischer Hinsicht stellt die Finanzierung des
Einkommens auf Lebenszeit kein neues Problem dar ... . Am besten erfolgt sie
durch eine Besteuerung der automatisierten Produktionen" (Gorz 1983:73).
Trotz solch
weitgehender Annahmen über gesamtwirtschaftliche Freisetzungseffekte durch
arbeitskräftesparenden technischen Fortschritt (*) sieht Gorz das Problem der
Regulierung des verbleibenden Rests abhängiger Arbeit. Hierfür schlägt er die
Einführung von Lebensarbeitskonten vor. Auf ihnen sind Pflichtkontingente
verbucht, die - bei Strafe des Entzugs des Grundeinkommens - abzuarbeiten sind.
Dabei besteht freie Arbeitsplatzwahl im Rahmen der Vermittlung über
"Arbeitsbörsen" (vgl. Gorz 1986:60). Den damit verbundenen Zwang
schätzt Gorz als gering ein. Denn: "Sogar eine banalisierte, rasch
erlernte, mit irgendeiner anderen austauschbare Arbeit, die weniger als 1.000
Stunden im Jahr beansprucht ... ist kein ermüdender, quälender Zwang, der den
Menschen verkrüppelt, deformiert oder verblödet, sondern eine Beschäftigung,
die ihm willkommen ist aufgrund der Vielfalt, der Kontakte, des Rhythmus und
der zeitlichen Organisation, die sie mit sich bringt" (Gorz 1983:86).
Von dieser -
an die Annahmen in den klassischen Utopien erinnernden optimistischen
Einschätzung des Regelungsbedarfs des notwendigen Arbeitseinsatzes
unterscheidet sich etwa G. Adler-Karlsson. Er schlägt, den Vorstellungen von
Josef Popper-Lynkeus sehr verwandt, eine Zweiteilung der Wirtschaft in einen
Grundbedarfssektor und einen Überflußsektor vor (vgl. Adler-Karlsson 1979:495).
Im Grundbedarfssektor gibt es eine Arbeitspflicht. "In diesem Sektor hat
jeder Mann und jede Frau das Recht und die Pflicht, einige Jahre (z.B. acht,
zehn, maximal fünfzehn) zu arbeiten" (Adler-Karlsson 1985:7). Dafür wird
eine lebenslange Grundsicherung garantiert. "Die Bezahlung für die
ausgeführte Arbeit muß in Form von Einkaufskarten geleistet werden, die man
weder verkaufen noch weitergeben kann, und die materielle Grundgeborgenheit für
das Individuum muß garantiert sein, solange es lebt" (Adler-Karlsson
1979:495). Im Überflußsektor dagegen herrschen Arbeitsmarkt-Verhältnisse, und
es werden Löhne bezahlt.
Mit der
Erörterung der Notwendigkeit einer generellen Arbeitsverpflichtung klingt die
Frage nach der Systemverträglichkeit eines garantierten Grundeinkommens an. Für
Gorz ist ein Grundeinkommen nur die Konsequenz eines gleichsam
"sanften" Ausstiegs aus dem Kapitalismus. Es "verweist die
Automatisierung auf ein Jenseits des Kapitalismus und des Sozialismus"
(Gorz 1983:53). Ähnlich sieht Adler-Karlsson die beiden von ihm vorgeschlagenen
Sektoren: Grundbedarfssektor und Überflußsektor als Bausteine einer
Gesellschaftsformation an, in welcher "der Sozialismus und der
Kapitalismus in einer höheren Einheit" (Adler-Karlsson 1979-495) verbunden
werden können. Durch die Grundsicherung sieht Adler-Karlsson jene
"grundlegende Geborgenheit des Arbeiters geschaffen, so daß er es nie
nötig haben wird, sich dem Zwang zu unterwerfen, den das marxistische
Ausbeutungsmodell voraussetzt. Falls die Bedingungen des Käufers der
Arbeitskraft nicht akzeptabel sind, hat der einzelne Arbeiter die volle
Freiheit, sie nicht zu akzeptieren. Dadurch ist eine wesentlich gerechtere
Verhandlungssituation im Vergleich zu früher entstanden" (Adler-Karlsson
1979:502). Habermas schließt aus der Erschöpfung der "Energien der
arbeitsgesellschaftlichen Utopie" (Habermas 1985:157) auf die
Notwendigkeit einer Reorganisation des Sozialstaats, bei der es "nicht
mehr um die Einfriedung einer zur Norm erhobenen Vollzeitbeschäftigung gehen
kann" (ebd.). Dafür weist er der Einführung eines "garantierten
Mindesteinkommmens" eine tragende Rolle zu: "Dieser Schritt wäre
revolutionär, aber nicht revolutionär genug" (ebd.). Indem Habermas die
Idee eines garantierten Grundeinkommens in die Perspektive
gesamtgesellschaftlicher Transformation rückt und die Notwendigkeit eines
politisch inszenierten gesellschaftlichen Wandels mit der Erschöpfung der
utopischen Energien der gegebenen arbeitszentrierten Gesellschaftsformation
begründet, steht er in der - im weitesten Sinne - utopischen
Argumentationstradition. Da Habermas zugleich jedoch an konkretem
Sozialpolitik-Versagen anknüpft, weist seine Position zugleich auf die eher
pragmatischen Argumentationen zum garantierten Grundeinkommen.
6. Probleme
lohnarbeitszentrierter Sozialpolitik und garantiertes Grund einkommen
Das
gegenwärtige, historisch gewachsene System sozialer Sicherung ist in hohem Maße
lohnarbeitszentriert (vgl. Vobruba 1985b; Gretschmann, Heinze 1985; Leibfried,
Tennstedt 1985:22; Hanesch 1985a:101). Das bedeutet, daß sowohl der Zugang zu
als auch die Bemessung von wichtigen (nicht allen!) sozialen
Sicherungsleistungen an Lohnarbeit rückgebunden ist.
Lohnarbeitszentrierte
Vorbehalte, die den Zugang regeln, sind: "Erst lohnarbeiten, dann
..." und "Lohnarbeitsbereitschaft zeigen, damit ..." (vgl.
Vobruba 1985b). Die Anbindung der Höhe von Sicherungsleistungen an die
Lohnarbeit erfolgt über das Äquivalenzprinzip. In dem Maße nun, so wird
argumentiert, in dem faktisch nicht mehr davon ausgegangen werden kann, daß
alle (die dies wollen) die lohnarbeitszentrierten Bedingungen für den Bezug von
Sicherungsleistungen erfüllen, werden aus den Vorbehalten Zugangsbarrieren. Und
in dem Maße, in dem sich prekäre Lohneinkommenslagen ausbreiten, führt das
Äquivalenzprinzip zu defizitären sozialen Sicherungsleistungen. Dazu kommt
noch, daß die Lockerungen des Äquivalenzprinzips im Zuge von
Sozialtransfer-Karrieren, wie sie im gegebenen System vorgesehen sind
(Arbeitslosengeld - Anschlußarbeitslosenhilfe - Sozialhilfe) zugleich
Verarmungsprozesse bedeuten.
Für alle,
die nicht in der Lage sind, "Normalarbeitsverhältnisse" (vgl.
Mückenberger 1985) einzugehen, wirft somit die lohnarbeitszentrierte
Sozialpolitik sozialpolitische Probleme auf: Vielen, die abweichend vom
"Normalarbeitsverhältnis" tätig sind, droht, neben vielfältiger
sozialrechtlicher Benachteiligung (vgl. Landenberger 1984), sozialpolitische
Unterversorgung (vgl. Hauser 1983). Denen, die Opfer von sozialstaatlichen Abgruppierungsprozessen
geworden sind, und denen, die erst gar keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden
haben, droht das Problem des Ausschlusses von den besseren (manchmal: von
allen) Leistungen des Sozialstaats.
Aus solchen
Problemdiagnosen ist der weithin unbestrittene (vgl. Welzmüller 1985:415)
Schluß gezogen worden, daß die gegenwärtige hohe Lohnarbeitszentriertheit der
Sozialpolitik abzubauen ist. Zahlreicher Vorschläge gehen in diese Richtung.
Unterschiede gibt es allerdings in ihrer Reichweite. Hier ist nicht der Ort,
die zahlreichen Lösungsvorschläge, die an die Defizite lohnarbeitszentrierter
Sozialpolitik anknüpfen, im Detail nachzuzeichnen. Ich will lieber eine
Systematik anbieten, in der das garantierte Grundeinkommen seinen Platz findet
und in der die spezifische Differenz eines garantierten Grundeinkommens zu
anderen Lösungsvorschlägen deutlich wird. Unterscheidungskriterien für die
einzelnen Typen von Lösungsvorschlägen der Defizite lohnarbeitszentrierter
Sozialpolitik lassen sich aus den folgenden Fragen gewinnen:
A. Richten
sich die Vorschläge nur auf das Unterversorgungsproblem?
B. Oder
richten sich die Vorschläge auch auf das Ausschlußproblem?
C. Versuchen
die Vorschläge, Primäreinkommensausfälle nur zu kompensieren, oder richten sie
sich auch darauf, Veränderungen der Primäreinkommensverteilung zu bewirken?
Ich nenne
für die einzelnen Typen einige Vorschläge als Beispiele.
Ad A.
Auf die
Bewältigung des Unterversorgungsproblems richten sich die Vorschläge zur
Sockelung der bestehenden Zweige sozialer Sicherung (vgl. Hauser 1984;
Leibfried 1986). Der Leitgedanke dabei ist, (insbesondere) bei den
Sozialversicherungsleistungen keine Auszahlungen in solch geringer Höhe
zuzulassen, daß sie um Sozialhilfeleistungen ergänzt werden müssen. "Die
bisherigen Teilbereiche der sozialen Sicherung (Arbeitslosenversicherung,
Alterssicherung etc.) bleiben aufrechterhalten, werden aber durch das
'Einziehen' eines allgemeinen bedarfsorientierten Grundeinkommens ('Sockel')
harmonisiert und reformiert" (Welzmüller 1985:419; vgl. Hauser 1984). In
der Tat wäre eine Sockelungsstrategie geeignet, Verarmungsprozesse zu stoppen,
wenn sich diese aus der durch das Äquivalenzprinzip bedingten Fortschreibung
von Niedriglöhnen in entsprechend niedrige Sozialtransfers ergeben. Die reine
Sockelungsstrategie geht allerdings dann ins Leere, wenn sozialpolitischer
Abstieg mit Ausschließungsprozessen aus den besseren Versorgungszweigen
verbunden sind, oder wenn man in diese mangels erworbener Anwartschaft erst gar
nicht hineinkommt. Dieses Problem wird von Befürwortern der Sockelung durchaus
gesehen. Sie fordern daher "eine Ergänzung der
sozialversicherungsrechtlichen Konstruktionsprinzipien durch eine allgemeine
Mindestsicherung, die - unabhängig von Beitragszeiten und Beitragshöhe normiert
wird" (Bäcker 1985:38. Letzte Hervorhebungen von mir.) Dies führt zu den
Vorschlägen zur Lösung des Ausschlußproblems.
Ad B.
Zur Lösung
des Ausschlußproblems von den (besseren) sozialen Sicherungsleistungen gibt es
mehrere Vorschläge. Zum einen wird vorgeschlagen, bestimmte Lebenszeiten, in
denen keine Lohnarbeit verrichtet wurde, für den Erwerb von Anwartschaften den
Zeiten der Lohnarbeit gleichzuhalten. "In der Rentenversicherung könnte
beispielsweise durch die Ausweitung von fiktiven Beitragszeiten (z.B.
Erziehungsjahre) ein rentensteigernder Effekt erzielt werden; für
teilzeitbeschäftigte Personen könnte die Fiktion eingebaut werden, daß sie
rentenrechtlich als Vollzeitbeschäftigte zählen und der Staat den
Differenzbetrag zuschießt. Durch Arbeitslosigkeit bedingte Unterbrechungen der
Erwerbsbiographie müßten lückenlos und zu einem einkommensadäquaten
Verrechnungssatz in der individuellen Rentenberechnung berücksichtigt werden
etc." (Welzmüller 1985:419). Dabei wird also die Lohnarbeitszentriertheit
der sozialen Sicherung als Prinzip erhalten, praktisch jedoch gelockert (vgl.
Hauser 1984).
Weiters gibt
es den Vorschlag, Aktivitäten im informellen Sektor, insbesondere im Bereich
von Selbsthilfe, sozialversicherungsrechtlich aufzuwerten. "Für sozial als
nützlich definierte Tätigkeitstatbestände, die, da sie nicht Erwerbsarbeit
darstellen, durch die herkömmlichen sozialen Sicherungswerke nicht abgedeckt
sind, können Sozialversicherungsgutscheine eingeführt werden, die den
zeitlichen Input für die jeweilig relevanten Tätigkeiten (etwa auf
Stundenbasis) ebenso wie den Nützlichkeitsgrad berücksichtigen. Für den
letzteren Zweck werden bestimmte Tätigkeiten als mehr individuell oder mehr
gesellschaftlich nützlich, aber auch als mehr oder weniger attraktiv bestimmt
und mit einem Nützlichkeitsindex versehen, der Zuschläge für wenig attraktive
und gesellschaftlich besonders nützliche Tätigkeiten und Abschläge für das
Gegenteil markiert" (Gretschmann, Heinze 1985:118).
Schließlich
gibt es Vorschläge, die Bezugsberechtigung für einzelne Leistungskategorien so
zu verallgemeinern, daß Ausschlußeffekte nicht mehr eintreten können
(Allgemeine Grundrente). Solche Vorschläge werden von verschiedenen Seiten
präsentiert (vgl. Miegel 1981; Graue Panther 1985). Bei einigen der Vorschläge
werden solche Lösungsansätze des Ausschlußproblems mit Senkungen des
Leistungsniveaus bzw. mit Verschlechterungen der Sozialeinkommensposition von
bisher besser Gesicherten verknüpft (vgl. Miegel 1986). Damit wird die
sozialpolitische Bewältigung des Ausschlußproblems als Null-Summen-Spiel
innerhalb der Gesamtheit der tatsächlichen und der potentiellen
Leistungsbezieher angelegt.
Die
Vorschläge in Richtung einer (schrittweisen) Verallgemeinerung des Zugangs zu
sozialen Sicherungsleistungen weisen letztlich auf einen Sicherungsstandard,
"der unmittelbar auf Teilhabe am Reichtum einer Gesellschaft und ihren
Entwicklungsmöglichkeiten sowie auf die Teilnahme an ihrer sozialkulturellen
Entfaltung zielt. Ein solcher Standard bezieht sich auf die >Mitte<
dieser Gesellschaft und nicht auf ihren Rand. Er beabsichtigt nicht
Ausgrenzung, sondern >Eingrenzung<, leben als Bürgerrecht"
(Leibfried, u.a. 1985). Damit nähern sich die erweiterten Sockelungsvorschläge
der Idee eines garantierten Grundeinkommens.
Ad C.
Von beiden
bisher genannten Typen von Lösungsansätzen der Probleme lohnarbeitszentrierter
Sozialpolitik unterscheidet sich der Vorschlag eines garantierten
Grundeinkommens in zwei wesentlichen Punkten. Zum einen enthebt es von
zahlreichen Fragen, die sich aus den genannten Vorschlägen ergeben: Welche
Betätigungsformen werden tatsächlich als lohnarbeitsäquivalent anerkannt (vgl.
Welzmüller 1985; Bäcker 1985)? Wie wird jener Nützlichkeitsindex konkret
erstellt und wie bewertet (Gretschmann, Heinze 1985)? Die regulativen
Eingriffe, die sich aus der politisch-praktischen Beantwortung dieser Fragen
ergeben, fallen beim Vorschlag eines garantierten Grundeinkommens weg.
Zum anderen
unterscheidet sich das garantierte Grundeinkommen von den vorangegangenen Vorschlägen
in seinem Bezug auf Vorgänge auf dem Arbeitsmarkt. Während die Lösungstypen A
und B auf die Kompensation bereits entstandener Probleme durch Ausfall von
Primäreinkommen ausgerichtet sind, intendiert ein garantiertes Grundeinkommen
zugleich mit seinen Transfereffekten einen Arbeitsmarkteffekt. Das heißt:
In der
gesamten bisherigen Geschichte der Diskussion um ein garantiertes
Grundeinkommen wurde die Frage damit verbundener negativer Arbeitsanreize als
Problem diskutiert. Diese Sicht nun wird mit der Dauermassenarbeitslosigkeit
revidiert. Nun geht es eher darum, erwünschte Arbeitsmarktentlastungseffekte
durch ein garantiertes Grundeinkommen zu organisieren. Diesbezüglich hat die
neuere Diskussion erbracht, daß zwischen dem Niveauaspekt und dem Verteilungsaspekt
der Arbeitsmarktentlastung durch ein garantiertes Grundeinkommen unterschieden
werden muß. Unbestritten ist, daß seine Einrichtung zu einer Senkung des
Niveaus des angebotenen Arbeitskraftvolumens führen würde. Allerdings scheint -
so kann man in loser Anlehnung an die einschlägigen Experimente in den USA
(vgl. Almsick 1981) schließen - dieser Effekt geringer zu sein, als gemeinhin
angenommen wird. Weitgehende Einigkeit scheint auch darüber zu bestehen, daß
ein garantiertes Grundeinkommen möglichst so organisiert sein sollte, daß die
Reduktion des individuellen Arbeitskraftangebots in möglichst feinen, den
individuellen Präferenzen entsprechenden "Portionen" erfolgen kann.
Dies setzt voraus, daß Grundeinkommensteile mit Arbeitseinkommensteilen
kombinierbar sind; - daß also nicht, wie es gegenwärtige Praxis ist, die
Aufnahme von entlohnter Arbeit zum Verlust des gesamten Transfereinkommens
führt. Schließlich ist in der neueren Diskussion vehement der Einwand
vorgetragen worden (vgl. Blickhäuser, Molter 1986; Ostner 1985), daß die
Arbeitsmarktentlastungseffekte durch ein garantiertes Grundeinkommen
voraussehbar zu Lasten des Anteils der Frauen an der Erwerbsarbeit gehen
werden; daß, mit anderen Worten, ein garantiertes Grundeinkommen die Gefahr der
Abdrängung der Frauen vom Arbeitsmarkt impliziere. Dieser Einwand hat dazu
geführt, daß in jüngster Zeit Vorschläge unterbreitet werden (vgl. Opielka,
Stalb 1986; Vobruba 1985), Grundeinkommen und Arbeitszeitpolitik zu
kombinieren: Dafür wird von mehreren Seiten argumentiert: Zum einen scheint
eine Arbeitszeitverkürzung solchen Ausmaßes, daß durch sie ein wesentlicher
Schritt in Richtung Vollbeschäftigung getan wird, die Verteilungsspielräume, in
denen die Tarifparteien agieren, zu überfordern. Arbeitszeitverkürzung mit
Lohnausgleich stößt an Grenzen ökonomischer Leistungsfähigkeit der Unternehmen,
Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich stellt die Existenzbedingungen in den
unteren Einkommensgruppen in Frage. Dieses arbeitszeitpolitische Dilemma hat dazu
geführt, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich und die parallele Einführung
eines garantierten Grundeinkommens vorzuschlagen.
Die
Kombination von Arbeitszeit- und Grundeinkommenspolitik könnte nach Opielka
(1985) etwa, "in einer '20-Stunden-Normalerwerbswoche' für alle abhängig
Beschäftigten bestehen, wobei an die Stelle eines betrieblichen weitgehend ein
überbetrieblicher Lohnausgleich durch ein garantiertes Grundeinkommen in Höhe
von mindestens 1.000 DM pro Person träte" (Opielka 1985:135).
Weiter gibt
es Überlegungen, freiwillige Reduktionen der individuellen Arbeitszeit
(Teilzeit) dadurch zu fördern, daß - im Sinne einer Übergangsstrategie -
"diejenigen, die 20 oder weniger Stunden in der Woche erwerbstätig sind
oder sein können, zuerst ein Anrecht auf das garantierte Grundeinkommen
erwirken" (Opielka 1985:148). Schließlich ist für die Notwendigkeit der
Kombination von Grundeinkommen und Arbeitszeitflexibilisierung (vgl. Vobruba
1985a) argumentiert worden. Will man durch eine geeignete Gestaltung eines
garantierten Grundeinkommens Arbeitsentgelte und Grundeinkommensbestandteile
für den/die einzelne(n) kombinierbar machen, so bedarf es nicht nur eines
sequentiellen Auszahlungsmodus des Grundeinkommens, sondern komplementär dazu
auch einer entsprechend entrigidisierten Arbeitszeitordnung, die
wohlportionierte Arbeitszeitquanten tatsächlich individuell wählbar macht. Die
Anforderung lautet also, daß durch grundeinkommenspolitische und
arbeitszeitpolitische Regelungen für die Individuen "Alles-oder-Nichts"-Wahlsituationen
zwischen Lohnarbeit und arbeitsmarkt-externen Existenzformen vermieden werden
müssen.
7. Schluß
Die
Differenzen zwischen den Befürwortern der Sockelungen im bestehenden System
sozialer Sicherung und den Befürwortern eines garantierten Grundeinkommens
lassen sich im wesentlichen an zwei Problemkreisen abarbeiten. Zum einen muß
von den Befürwortern des garantierten Grundeinkommens noch deutlicher gemacht
werden, in welchem Verhältnis das Grundeinkommen zu den gegenwärtigen
Transferleistungen stehen soll (vgl. Opielka, Stalb 1986); welche
Transferleistungen im Grundeinkommen aufgehen sollen, welche modifiziert und
welche beibehalten werden sollen. Komplementär dazu können die Befürworter von
Sockelungen ihr Vorverständnis revidieren, daß die Forderungen nach dem
Grundeinkommen "in der Regel von dem Gedanken der Ersetzung des
bestehenden Leistungssystems ausgehen" (Hanesch 1984:125; Welzmüller
1985a:365, 366). Verständigung darüber ist eine Frage weiterer programmatischer
Präzisierungen und sozialpolitischer Forschung (Welzmüller 1985:416).
Unreduzierbar
aber bleibt doch eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Differenz. Die
Einführung von Sockelbeträgen ändert im Prinzip nichts an den Zugangsregeln zu
sozialstaatlichen Leistungen. Sie bleiben daher weiterhin an wohldefinierte
sozialpolitische Sonderlagen geknüpft. Die Idee des garantierten
Grundeinkommens aber bricht damit: Ihr geht es darum, prinzipiell jedem
Gesellschaftsmitglied den Zugang zu materieller Grundsicherung als gesellschaftlichem
Teilhaberecht (vgl. Leibfried u.a. 1985; Greven 1986) zu eröffnen. Genau hier
liegt der Kern der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung um ein
garantiertes Grundeinkommen. Die Positionen dazu reichen von Ablehnung:
"Ein solches prinzipiell (erwerbs-)arbeitsfreies Einkommen und Leben für
die einen müßte finanziert werden durch die Erwerbstätigkeit der anderen! Dies
wäre gesellschafts- und verteilungspolitisch aber nicht zu akzeptieren"
(Bäcker 1985a:429) über vorsichtige Trendprognosen: "Man könnte sich nun
durchaus vorstellen, daß eine zukünftige Gesellschaft wesentlich durch
Transfereinkommen neuen Typs aus dem gesellschaftlichen Produktivvermögen
gekennzeichnet ist" (Glotz 1986:142) bis zu Formulierungen, die ein
gewisses Maß an Provokation (oder: Denk-Anstoß) intendieren: "Wer nicht
arbeitet, soll wenigstens essen" (Kellermann 1985:34f.). Hinter diesen
Positionsunterschieden stehen Differenzen über eine gesellschaftliche
Grundfrage: die Frage nach der Legitimitätsbeziehung von Arbeiten und Essen.
Ihre Bedeutung in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung nimmt zu.
8. Anhang:
Zur Finanzierung eines garantierten Grundeinkommens
Die
Überlegungen zur Finanzierung von Vorschlägen zu einem garantierten
Grundeinkommen stecken noch in den Anfängen. Der Schwerpunkt der neuen
Grundeinkommensdiskussion lag bisher eindeutig bei der Frage, ob ein
Grundeinkommen eine wünschenswerte politische Perspektive darstellt und bei der
Frage, wie es gestaltet sein müßte, um eine wünschenswerte politische Perspektive
darzustellen. Auch die Verständigungsprozesse darüber sind keineswegs
abgeschlossen. Finanzierungsüberlegungen bewegen sich also schon mangels
eindeutiger konzeptioneller Vorhaben auf unsicherem Terrain.
Bisher liegt
ein Versuch vor, die Kosten eines garantierten Grundeinkommens abzuschätzen.
Grötzinger
(1985, 1986) geht dabei von den folgenden Gestaltungsannahmen aus: Das
Grundeinkommen wird (für 1982) in der Höhe von DM 800.- festgesetzt, unter 18
Jahren erhält man DM 400.-, über 60 DM 1.000.-. Die Auszahlung erfolgt ohne
Prüfung der Arbeitsbereitschaft nach dem Individualprinzip. Weiter wird
angenommen, daß "die anderen Sozialleistungen im Prinzip wegfallen"
(Grötzinger 1986:169) - eine in der konzeptionellen Diskussion sehr umstrittene
Annahme (vgl. Opielka, Stalb 1986). Neben dem Grundeinkommen erhalten bleiben
eine integrierte Kranken-, Unfall-, Invaliditäts- und Pflegschaftsversicherung
sowie Zuschläge bei (z.B. durch den regionalen Wohnungsmarkt bedingten)
Sonderbelastungen. "Zusätzlich stellt der Staat jedem Erwachsenen einen
Betrag zur Verfügung, der als Beitrag zu einer gesetzlichen Krankenkasse
verwendet werden muß" (Grötzinger 1985:3). Durch die Auszahlung des
Grundeinkommens in den drei Höhen (DM 400.-/800.-/1.000.-) und die Zurverfügungstellung
des KV-Beitrags (DM 199.- für jeden Erwachsenen ) ergibt sich ein
Finanzierungsbedarf von DM 651.453 Mill. Dem steht ein Einnahmeminderbedarf
durch den Wegfall von staatlichen Sozialtransferleistungen, der Einbeziehung
staatlich Bediensteter in die Grundeinkommensregelung und den Wegfall von
Zuschüssen der Gebietskörperschaften an die Rentenversicherungen in der
Gesamthöhe von DM 110.565.- (Mill.?) gegenüber.
Zur
Finanzierung schlägt Grötzinger vor, die Lohnsteuer" veranlagte
Einkommensteuer und Kapitalertragssteuer durch einen "integrierten Steuer-
und Sozialversicherungssatz - ISS" (Grötzinger 1986:171) zu ersetzen. Er
umfaßt:
"- Alle
um die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung erhöhten Bruttolöhne und
-gehälter werden ohne Freibetrag und -Progression mit dem ISS belegt.
- Jede
Gewinnausschüttung unterliegt dem ISS.
- Bei
Objekten, wo Arbeitsleistung versteckt sein kann (z.B. Immobilien) oder Gewinn
verborgen (z.B. Wertpapiere), wird auf eine eventuelle positive Differenz
zwischen Verkaufspreis und Kaufpreis (bzw. Gestehungskosten) der ISS erhoben.
- Sollte zur
Planungsgewinnabschöpfung keine weitergehende Forderung erhoben werden, so gilt
die gleiche Regelung wie oben auch für Grund und Boden" (Grötzinger
1986:1719).
Aus den
notwendigen Aufwendungen für das garantierte Grundeinkommen und den staatlichen
Einnahmenausfall durch den Wegfall von Lohnsteuer, veranlagter Einkommensteuer
und Kapitalertragssteuer (die sonstigen Steuern und Abgaben bleiben erhalten)
ergibt sich eine "Gesamt-Finanzierungslücke von DM 760.876 Mill."
(Grötzinger 1986:179). Setzt man als Basis der Staatseinnahmen das
Nettosozialprodukt zu Marktpreisen an, so ergibt ISS von 1% ein Aufkommen von
DM 13.999 Mill. Zur Deckung der Gesamtfinanzierungslücke wäre somit ein ISS von
etwa 54% notwendig: 13.999 Mill. x 54 = 755.995 Mill. DM.
Dies ist
freilich nur eine erste Annäherung an das Finanzierungsproblem.
Unberücksichtigt bleiben bei diesen Überlegungen all jene
Finanzierungskonsequenzen, die sich aus Veränderungen des Arbeitskraftangebots
und der Einkommensverteilung in der Folge der Einführung eines garantierten
Grundeinkommens ergeben (vgl. dazu Wegner 1985). Unberücksichtigt bleiben z.B.
finanzielle Entlastungseffekte, die sich aus der Möglichkeit ergeben, beschäftigungspolitisch
motivierte Erhaltungssubventionen einzusparen.
Insgesamt
sollte man die präsentierten Zahlen weniger als Ergebnis, denn als
Ausgangspunkt weitergehender Forschung nehmen. Zu fragen wird sein nach den
Änderungen in den ökonomisch relevanten Verhaltensweisen, die sich durch die
Auszahlung und die Finanzierung eines garantierten Grundeinkommens ergeben. Auf
der Grundlage diesbezüglicher Kenntnisse kann dann, in einer neuen Runde,
wieder nach der Finanzierung gefragt werden.
(*)
Technologisch bedingte Arbeitslosigkeit ist einstweilen jedenfalls noch nicht
eingetreten (vgl. Spahn/Vobruba 1985). Zur Kritik der mit der Annahme hoher
Produktivitätszuwächse verbundenen Verteilungshoffnungen vgl. Opielka 1985.
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