Die
Idee eines Grundeinkommens gefällt auch Marktliberalen
Der
Chef der DM-Kette Werner stößt mit seinem 1500-Euro-Vorschlag auf ein geteiltes
Echo / Gewerkschaftsnahe Forscher warnen vor Finanzierungsproblemen
Die
Forderung des Drogerie- unternehmers Götz Werner nach einem staatlichen
Grundeinkommen ohne Arbeit finden marktliberale Wirtschaftswissenschaftler
interessant. Gewerkschaftsnahe Experten sind dagegen skeptisch.
|
|
|
|
|
Götz
Werner, Chef der Drogeriemarkt-Kette DM, steht an der Spitze
einer Bewegung, die sich für ein staatliches Grundeinkommen
von 1300 bis 1500 Euro im Monat einsetzt. Finanziert werden
soll der Betrag, indem die bisherigen direkten und indirekten
Sozialausgaben umgeleitet werden. Bei Beschäftigten, die heute
weniger als 1300 bis 1500 Euro im Monat verdienen, könnten die
Arbeitgeber Löhne in Höhe von einigen hundert Euro anbieten,
um einen Anreiz zum Arbeiten zu geben. Die Betriebe müssten
nach Werners Modell keine Beiträge für Rente und
Arbeitslosenversicherung mehr zahlen. "Beides würde durch das
Grundeinkommen entfallen." hp http://www.unternimm-die-zukunft.de/ | |
|
| |
Hamburg · In
großformatigen Zeitungsanzeigen wirbt Werner für ein Grundeinkommen ohne Arbeit.
Der Chef der Drogeriekette DM fordert vom Staat, seinen Bürgern eine
bedingungslose Grundabsicherung zu gewähren. "1300 bis 1500 Euro monatlich für
jeden Erwachsenen" - so lautet Werners Vorschlag. Leserbriefschreiber reagieren
auf Werners Anzeigenkampagne zwiespältig. Für "lange überfällig" halten die
einen das Grundeinkommen, ein "Kopfschütteln" löst es bei anderen
aus.
Der neoliberale Volkswirt Thomas Straubhaar findet die Idee, die
bereits im 19. Jahrhundert schon mal populär war, im Prinzip gut. Allerdings
plädiert der Direktor des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI) für
ein wesentlich niedrigeres "Bürgergeld": Nach Straubhaars Ansicht soll jeder
Anspruch auf knapp 650 Euro im Monat haben. Straubhaar orientiert sich dabei an
dem vom Gesetzgeber festgelegten Existenzminimum.
Bei diesem Konzept
würden viele Menschen weniger Geld erhalten als bisher: Wer Arbeitslosengeld II
plus Mietzuschuss bezieht, erhält etwa 750 Euro.
Straubhaar will
einerseits eine Existenzsicherung gewährleisten. Anderseits möchte er
sicherstellen, dass es zwischen Bürgergeld und niedrig bezahlten Jobs einen
deutlichen Abstand gibt.
Eine etwas andere Position vertritt übrigens
Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.
Dieser will Hilfen für Langzeitarbeitslose kürzen. Im Gegenzug soll es einfacher
werden, etwa hinzu zuverdienen.
Gewerkschaftsnahe Experten beurteilen die
Idee eines Grundeinkommens skeptisch. "Wünschen kann man sich das gerne", die
Finanzierung sei aber schwierig, sagt Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie
und Konjunkturforschung (IMK). Es entstünde ein "wahnsinniger Finanzbedarf". So
würden im Wernerschen Modell etwa 800 Milliarden Euro pro Jahr bewegt, ein
Drittel des Bruttoinlandsproduktes, schätzt Horn. Dies sei "ein äußerst großes
Problem".
Straubhaar hält dagegen ein Grundeinkommen grundsätzlich für
finanzierbar, da andere Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Rente entfallen
würden. Alle Sozialleistungen in Deutschland summieren sich auf die stattliche
Summe von mehr als 700 Milliarden Euro.
Straubhaar sagte schon vor Wochen
dem Magazin Brand eins zur Finanzierung: "Erstens ersetzt das
Grundeinkommen alle sozialen Transferleistungen mit Ausnahme der Zuschüsse zu
einer geplanten Gesundheitsprämie". Zweitens "müssen die Bürger nicht erbetteln,
begründen und sich auch nicht ständiger Kontrolle aussetzen. Das spart eine
Menge bei der Sozialbürokratie ein".
Ähnlich wie andere neoliberale
Grundeinkommensmodelle, etwa dem von Milton Friedman, zielt Straubhaars
Bürgergeld auch auf einen radikalen Abbau der sozialen Sicherungssysteme. Das
Grundeinkommen diene auch dazu, dass "der Gutverdienende und Kapitalist in Ruhe
seine Arbeit machen kann", befindet Staubhaar.
Sympathien für ein hohes
Grundeinkommen gibt Herbert Buscher zu erkennen: "Wenn man persönliche
Schicksale hört, tun einem die Leute leid." Der Arbeitsmarktexperte am
marktradikalen Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle "gönnt jedem die
1300 Euro, aber ich kenne eine Menge Leute, die bei ihrer Arbeit weniger
verdienen, denen machen wir die Jobs kaputt", meint Buscher. Die durchaus
notwendige Solidarität in einer Gesellschaft beiße sich mit den Erfordernissen
des Arbeitsmarktes.
Dies sieht der Kapitalmarktexperte Jörg Huffschmid
anders. Der Gefahr, dass eine relativ üppige Grundsicherung ähnlich bezahlte
Jobs vernichten würde, möchte seine Memorandums-Gruppe mit einem Mindestlohn
entgegen wirken. Dieser sollte deutlich über dem Grundeinkommen
liegen.
Beides, Grundeinkommen und Mindestlohn, würden die Nachfrage
ankurbeln und wären "ein beachtliches Beschäftigungsprogramm", meint Huffschmid.
Und was ist mit Jobs zu Mini-Löhnen, wie sie sich Wirtschaftsliberale wünschen?
Die wären nicht mehr nötig, wenn alle Verbraucher genügend Geld in der Tasche
haben, hofft Marktkritiker Huffschmid. Hermannus Pfeiffer
[ document info
]
Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am
19.12.2005 um 17:33:34 Uhr
Erscheinungsdatum 20.12.2005