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15.10.05 Falscher Traum
vom Schlaraffenland Ist das
bedingungslose Grundeinkommen wirklich ein linkes Konzept? Ein
Ökonom sagt Nein Von Ulrich
Busch Massenarbeitslosigkeit und ungleiche
Verteilung spalten die Gesellschaft zunehmend in Arme und Reiche,
Integrierte und Ausgegrenzte. Da es den etablierten Parteien wie der
Regierung an Konzepten fehlt, der Krise der Arbeitsgesellschaft und
der Erosion der sozialen Sicherungssysteme wirksam zu begegnen, sind
andere politischen Kräfte gefordert, alternative Ideen zu
unterbreiten. Unter den verschiedenen Ansätzen, die hier aktuell
diskutiert werden, nimmt der Vorschlag zur Einführung eines
bedingungslosen Grundeinkommens einen zentralen Platz ein. Anliegen
dieses Konzepts ist es, die gegenwärtigen Formen der sozialen
Sicherung durch ein einheitliches, staatlich finanziertes
Grundeinkommen zu ersetzen, das allen Bürgern – unabhängig von
Arbeitsleistung und Bedürftigkeit – zusteht. Da hierin sowohl
Elemente des Existenzgeldes alternativer Sozialhilfeinitiativen als
auch des von der FDP favorisierten Bürgergeldes einfließen, entsteht
der Eindruck, es handele sich um ein Konsensmodell verschiedenster
politischer Richtungen. Dieser Eindruck jedoch ist falsch. Er
wird indes dadurch noch verstärkt, dass nun auch Teile der
Linkspartei auf diesen Zug aufspringen und das bedingungslose
Grundeinkommen zu einem »linksalternativen Projekt« erklären. Aber
Vorsicht! Was hier so freiheitlich, zeitgemäß und alternativ
daherkommt, ist von seiner Anlage und Wirkung her weder links noch
modern. Dafür theoretisch konfus, politisch illusionär und
finanziell unrealistisch. Zudem unsozial und gefährlich nahe am
neoliberalen Gesellschaftskonzept.
Reichtum muss
ständig reproduziert werden Das bedingungslose
Grundeinkommen soll jedem zustehen, ohne Bedürftigkeitsprüfung und
ohne Arbeitsverpflichtung. Es bedeutet einen Rechtsanspruch auf
Konsum, garantiert vom Staat. Es soll existenzsichernd sein und
darüber hinaus jedem die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
sichern. Finanziert wird es aus dem »Überfluss« der Gesellschaft,
dem akkumulierten Reichtum. Die Idee ist so populär wie das Märchen
vom Schlaraffenland. Entsprechend harsch die Kritik: Indem das
Grundeinkommen als »Konsumgeld« definiert wird und – statt Arbeit
und Produktion – den konsumierbaren Reichtum als Bezugsgröße setzt,
stellt es die Logik der gesellschaftlichen Reproduktion wie der
menschlichen Selbstverwirklichung auf den Kopf. Von dem Prinzip
»Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen« wird
der zweite Halbsatz übernommen, der erste aber unterschlagen. Das
Leistungsprinzip, Grundprinzip sozialistischen Denkens, scheint
gänzlich passé. Demgegenüber werden Arbeit und Einkommen vollständig
entkoppelt. Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommen
feiern dies als »Überwindung der Ideologie der Arbeit», als »Lob der
Faulheit« und »Befreiung von der Arbeit«. Sie übersehen dabei, dass
ein wirklicher Überfluss an Reichtum nur möglich ist, wenn er
ständig reproduziert wird, das heißt, wenn alle
Gesellschaftsmitglieder entsprechend ihren Fähigkeiten tätig sind,
also arbeiten. Das gleiche gilt für die Selbstverwirklichung der
Menschen, welche ohne Arbeit nicht funktioniert. Arbeit ist eine
Grundbedingung – nicht nur der Menschwerdung, sondern auch des
Menschseins. Die postkapitalistische Utopie einer freien
Arbeitsgesellschaft ersetzen zu wollen durch die Idee einer von
Arbeit befreiten Konsumgesellschaft, wie hier vorgeschlagen,
erinnert an realitätsferne Sozialromantik. Als linkes Konzept taugt
der »Traum vom süßen Nichtstun« und einer »Welt ohne Arbeit« nichts.
Als politisches Programm aber ist er gefährlich, da er die Illusion
nährt, es gäbe auch ohne Arbeit ein gutes Leben.
Keine ausreichenden Quellen zur Finanzierung
Da das Konzept selbst über keine ausreichenden Quellen
zur Finanzierung verfügt, fördert es abstruse Umverteilungsfantasien
und Steuermodelle, die ihre Vertreter in der öffentlichen
Auseinandersetzung, sofern sie diese wagen, jedes Kompetenzkredits
berauben. Mit ökonomischem Sachverstand lässt sich ein solches
Modell in der Tat nicht verteidigen. Das wissen inzwischen auch
seine Vertreter und verzichten daher auf abenteuerliche
Rechenkunststücke und Einnahmen-Ausgaben-Modelle. Tritt die
Linkspartei demnächst mit einem derartigen Konzept an, so wird sie
dadurch ihren wenig schmeichelhaften Ruf als »Umverteilungspartei«
festigen, kaum aber politische Erfolge erzielen. Das Konzept ist im
Übrigen auch undemokratisch, denn die Mehrheit der Bevölkerung ist
erwerbstätig bzw. strebt nach Beschäftigung. Dahinter steckt
keineswegs nur der Zwang, den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern
auch das Bedürfnis nach einer gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit,
sozialer Anerkennung und Kommunikation. Slogans wie »Freiheit statt
Vollbeschäftigung« oder »Konsum statt Arbeit für alle« sind daher
für die meisten Menschen kein akzeptables Programm. Auch darf nicht
übersehen werden, dass sich die Wirkungen eines derartigen Konzepts,
würde es tatsächlich umgesetzt, zuförderst in einer radikalen
Deregulierung des Arbeitsmarktes niederschlügen, ferner in der
weitgehenden Beseitigung des Sozialstaates, in einem Anstieg der
Staatsverschuldung und im Verlust an wirtschaftlicher
Leistungskraft. Dem würde ein Mehr an freier Zeit und sozialer
Gleichheit gegenüberstehen. Lohnenswerte Ziele, sicher. Ohne
entsprechende ökonomische Basis aber sind sie kaum etwas wert!
Ulrich Busch, Jahrgang 1951, ist Finanzwissenschaftler
und Mitglied der AG Wirtschaftspolitik der Linkspartei.
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